Schuldenbremse: Schäuble lockt mit Zuckerbrot

Finanzminister will die Schuldenregel für die Länder aufweichen. Es gibt aber einen Haken.

Schuldenbremse: Schäuble lockt mit Zuckerbrot
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Berlin. Der eine oder andere Landesfinanzminister glaubte, sich zunächst verhört zu haben. Das Angebot aus Berlin klingt einfach zu verlockend: Der oberste Kassenwart Wolfgang Schäuble (CDU) ist bereit, die strenge Schuldenregel, noch bevor sie wirklich in Kraft tritt, schon wieder zu lockern. Nach seinen Vorstellungen sollen die Länder entgegen den Vorgaben auch nach 2020 noch neue Kredite aufnehmen und vom strikten Verschuldungsverbot abrücken können. Dazu will der Bund den Ländern einen Teil seines engen Kreditspielraums abgeben.

Das ist für manches um jeden Euro kämpfende Land ziemlich reizvoll — auch wenn sich die mögliche Entlastung nach jetzigem Stand für alle Länder insgesamt auf „nur“ vier Milliarden Euro belaufen würde. Auch für viele Stadtkämmerer in den Kommunen, die ebenfalls die knappen Länderkassen zu spüren bekommen. Dann könnte so mancher Länder-Ressortchef auch die weniger reizvolle Gegenforderung Schäubles als bittere Kröte schlucken. Der will nämlich die Zügel für Schuldensünder anziehen — bis hin zu Eingriffen in die Haushaltsautonomie der Länder durch ein gestärktes Kontrollgremium.

Bemerkenswert ist das Angebot Schäubles in zweierlei Hinsicht. Zunächst einmal, dass der Vorstoß überhaupt kommt. Denn damit verengt sich natürlich auch der Gestaltungsspielraum für den Bund. Was im Regierungslager alles andere als freudig aufgenommen werden dürfte. Andererseits gesteht Schäuble den Ländern zu, dass eben doch nicht alle schrittweise die Kreditaufnahme bis Ende 2019 abbauen, um dann wie vorgeschrieben ab 2020 gänzlich auf neue Schulden zu verzichten. Für den Bund gilt die Schuldenbremse zwar schon von 2016 an. Er darf aber weiter begrenzt neue Kredite aufnehmen.

Die eigentlichen Verhandlungen über die künftigen Bund-Länder-Finanzen haben zwar noch gar nicht begonnen. Aber die ersten Angebote liegen auf dem Tisch. Die Arbeitsgruppe der Finanzminister und deren Unterarbeitsgruppen haben in den Sommerwochen nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern reichlich Vorarbeit geleistet — bis hin zu möglichen finanziellen Auswirkungen, wie aus einer internen Übersicht zum „Meinungsbild“ deutlich wird.

Darin wird aber auch klar, dass es nach wie vor teils erhebliche Differenzen gibt — auch unter den Ländern. Sei es die Verwendung der Milliarden aus dem Solidaritätszuschlag, mehr Steuerautonomie für Länder und Kommunen, Altschuldenhilfen, die gemeinsame Aufnahme von Krediten oder eine Bundessteuerverwaltung. Ganz zu schweigen von der technischen Umsetzung einiger Vorhaben bis hin zu einer Reihe von Grundgesetzänderungen. Groß ist das Misstrauen unter „reichen“ Geber- und „armen“ Nehmerländern — und aller gegenüber dem Bund.

Schäuble kommt aber nicht nur mit Angeboten. Es gibt auch erste Absagen — etwa zu gemeinsamen Anleihen. „Die Finanzierung des gesamten Schuldendienstes der Länder durch den Bund ist nicht darstellbar“, heißt es in der Verhandlungsunterlage in Richtung der Länder, die auf eine gemeinsame Kreditaufnahme mit dem Bund und damit auf bessere Konditionen für ihre Haushalte hoffen. Aber auch aus Bayern kommen Warnungen: Solche Gemeinschaftsanleihen wären eine „Signalwirkung Richtung Eurobonds auf europäischer Ebene“.

Bisher liegen zig Optionen auf dem Tisch. Am Ende müssten aber alle Beteiligten mit einem neuen Finanzausgleich leben können, dämpft nicht nur der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) die Euphorie: „Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe.“

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