Terror von rechts: „Wir kommen nicht ohne Spitzel aus“

Ein Jahr nach Bekanntwerden der braunen Terrorgruppe NSU fordert der SPD-Politiker Hartmann Konsequenzen.

Berlin. Vor einem Jahr erfuhr die geschockte Öffentlichkeit zum ersten Mal von der Existenz des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), einer braunen Untergrundorganisation, die aus mindestens drei Personen bestand und im Laufe der Jahre zehn Menschen getötet hat.

Der NSU flog aber nicht durch die Arbeit von Ermittlern auf, sondern weil sich zwei Täter, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, nach einem Banküberfall selbst töteten, nachdem die Polizei ihnen auf den Fersen war. Beate Zschäpe stellte sich später. Der Verfassungsschutz hatte versagt und keinerlei Hinweise auf die rechte Terrorgruppe gegeben.

Nach einem Bericht des „Spiegel“ soll der Verfassungsschutz in den 90er Jahren straffällig gewordene V-Leute in der rechtsextremen Szene systematisch vor einer Verfolgung durch Polizei und Justiz bewahrt haben. Wir sprachen mit dem innenpolitischen Sprecher der SPD, Michael Hartmann.

Hartmann: Beim Verfassungsschutz besteht immer die Sorge, dass V-Leute, die der Polizei gemeldet werden, damit praktisch enttarnt und „verbrannt“ sind. Ich kenne die neuen Informationen noch nicht im Detail, aber der erste Eindruck bestätigt verschiedene Hinweise aus den letzten Wochen und Monaten, wonach der Verfassungsschutz bei der Informationsgewinnung durch V-Leute weit über das Ziel hinaus geschossen ist.

Was folgt daraus?

Hartmann: Ich gehe davon aus, dass sich das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages mit dem Thema beschäftigen wird. Grundsätzlich ist es so, dass rechtsextreme V-Leute in die Wolle gefärbte Nazis sind, von deren Erkenntnissen man aber trotzdem hofft, zu profitieren.

Das ist aber offenbar ein frommer Wunsch, wenn man sich die Mordserie der braunen Terrorzelle NSU in Erinnerung ruft.

Hartmann: V-Leute liefern durchaus wertvolle Informationen. Allerdings müssen diese Leute sehr sensibel und professionell geführt werden. Hier gab es beim Verfassungsschutz große Defizite.

Was meinen Sie konkret?

Hartmann: Wenn im Zuge der Informationsgewinnung Dinge bekannt werden sollten, die zu einer Strafverfolgung von V-Leuten führen müssen, dann hat der Verfassungsschutz eine Meldepflicht gegenüber der Polizei. Auch der Verfassungsschutz hat kein Recht, sich außerhalb von Recht und Gesetz zu stellen.

Wäre es nicht am Besten, alle V-Leute in der braunen Szene abzuschalten?

Hartmann: Nein. Kein Nachrichtendienst der Welt kommt ohne Informationen von Spitzeln aus. Wir müssen aber genau prüfen, wo V-Leute eingesetzt werden sollen und wo nicht, wer sie überwachen, anwerben und wer sie abschalten soll. Hier liegen die Schwachstellen, weil es dafür keine bundeseinheitlich abgestimmten Kriterien gibt.

Der neue Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen schlägt ein zentrales V-Leute-Register vor, um diese Personen besser steuern zu können. Eine gute Idee?

Hartmann: Der Verfassungsschutzpräsident greift hier eine Idee auf, die die SPD bereits vor einigen Monaten vorgestellt hat. Eine solche Datei ist überfällig. So lange Personen von verschiedenen Landesverfassungsschutzämtern geführt werden, aber nichts voneinander wissen, oder das Bundesamt für Verfassungsschutz keine Ahnung hat, was in den Ländern vorgeht, kann es keine effiziente Bekämpfung des Rechtsextremismus geben.

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