"Viele unterschätzen die lebensgefährlichen Strömungen"

Zahlreiche Badetote hat es in den vergangenen Tagen gegeben - einige davon an der Ostsee. DLRG-Präsident Hans-Hubert Hatje warnt deshalb Schwimmer davor, Gefahren zu ignorieren. Auch müsse darüber nachgedacht werden, ob eine Rettung künftig kostenfrei bleiben könne, so Hatje im Gespräch mit unserer Zeitung.

DLRG-Präsident Hans-Hubert Hatje während einer Rede.

DLRG-Präsident Hans-Hubert Hatje während einer Rede.

Herr Hatje, warum sind einige Badenurlauber so leichtsinnig?

Hans-Hubert Hatje: Gerade an der Ostsee gibt es das Problem, dass viele Urlauber die See seit Jahren als sehr ruhig kennen. Deshalb werden die momentanen Wetterbedingungen, die wir in den Vorjahren nicht gehabt haben, einfach ignoriert. Auch hat es durch die Frühjahrsstürme Veränderungen im Untergrund der Ostsee gegeben, was man nicht unterschätzen darf. Deshalb kommt es derzeit häufig zu den gefährlichen Rip-Strömungen, die Badegäste rausziehen können.

Die rote Fahne an den Stränden wird trotzdem oft ignoriert.

Hatje: Ich hoffe weiter auf die Vernunft der Urlauber. Wir haben auch in den letzten Tagen festgestellt, dass bei vielen ein Umdenken eingesetzt hat durch die Berichterstattung über die Gefahren, über die Opfer. Die Sensibilität ist größer geworden, auch die Vorsicht. Es gehen allerdings trotzdem noch Menschen ins Wasser, obwohl die rote Fahne über einem Strand weht.

Viele Urlauber argumentieren allerdings, sie seien gute Schwimmer.

Hatje: Viele Urlauber überschätzen sich aber auch. Und sie unterschätzen, wie lebensgefährlich Strömungen auch für geübte Schwimmer sein können.

In der Diskussion ist ja, Bußgelder zu verhängen. Wie stehen Sie dazu?

Hatje: Das ist aus meiner Sicht kein adäquates Mittel. Wir müssen mehr als in der Vergangenheit die Urlauber informieren und intensiver darauf eingehen, welche Besonderheiten es an welchen Küstenabschnitten gibt.

Eine Rettung durch die DLRG ist aufwendig. Und sie ist kostenfrei. Soll das so bleiben?

Hatje: Unter dem Eindruck dessen, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, müssen wir darüber nachdenken. Es gibt bereits in den Küstenländern Bestrebungen, entsprechende Änderungen bei den Rettungsdienstgesetzen vorzunehmen. Grundsätzlich gilt für die DLRG auch in Zukunft: Wir retten ehrenamtlich auf freiwilliger Basis.

Die DLRG hat in der Vergangenheit beklagt, dass immer weniger Kinder Schwimmen lernen. Hat sich daran etwas geändert?

Hatje: Nein. Das ist nach wie vor ein großes Problem. Immer noch können zu wenige Kinder im schulpflichtigen Alter schwimmen. Und es werden immer weniger. Das liegt daran, dass das Schwimmen in vielen Schulen nicht mehr unterrichtet wird. Außerdem haben wir das Problem der Badschließungen. Wir brauchen hier dringend ein Umdenken. Wir müssen mehr Schwimmbäder erhalten - und auch neue bauen. Und zwar nicht nur Spaßbäder.

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