Wowereit nach Flughafen-Debakel unter Druck

Berlin (dpa) - Das Debakel um die neuerliche Verschiebung der Hauptstadtflughafen-Eröffnung bringt Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in arge Bedrängnis. Die Opposition forderte den Rücktritt Wowereits, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft ist.

Der Koalitionspartner CDU zeigte sich ebenfalls höchst verärgert. Ein Spitzentreffen der drei Gesellschafter der Flughafengesellschaft sollte am Montag Klarheit darüber bringen, wie es mit dem Projekt weitergehen soll.

Wowereit äußerte sich bislang nicht zu dem Planungsdesaster. Nach Angaben des Senatssprechers hatte Wowereit „erst über das Wochenende davon erfahren“, dass der 27. Oktober 2013 als Starttermin nicht zu halten sei.

In Brandenburg steht Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) ebenfalls unter Druck. Am Sonntagabend war bekanntgeworden, dass die für den 27. Oktober geplante Inbetriebnahme des Airports nicht zu halten ist. Damit muss die Eröffnung schon zum vierten Mal verschoben werden. Berlin und Brandenburg sowie der Bund sind die Gesellschafter des Flughafens.

Berlins Innensenator und CDU-Vorsitzende Frank Henkel zeigte sich erbost und sprach von einer „Desinformationspolitik“. „Ich bin nicht nur fassungslos, sondern auch stinksauer. Es ist nicht hinnehmbar, dass ich als Aufsichtsratsmitglied von einem solchen Erdbeben am Sonntagabend aus den Medien erfahre“, sagte Henkel der dpa. Henkel verlangte indirekt die Ablösung von Flughafen-Chef Rainer Schwarz. „Ich fühle mich von der Geschäftsführung desinformiert. Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.“

Als erste Berliner CDU-Politikerin forderte die Bundestagsabgeordnete Stefanie Vogelsang den Rücktritt von Wowereit. Die CDU ist im Land Berlin der Koalitionspartner der SPD.

Die Berliner Opposition will eine Sondersitzung des Parlaments beantragen, die Grünen kündigten einen Misstrauensantrag an. „Wowereit ist zu einer Belastung für die Stadt geworden. Wir erwarten, dass er zurücktritt“, sagte Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop der dpa.

Rückendeckung bekam Wowereit von SPD-Chef Gabriel: „Ich halte die Vorwürfe gegenüber Klaus Wowereit für absolut unberechtigt“, sagte er. Als Aufsichtsrat sei man nun mal auf Informationen der Projektleiter angewiesen, bis wann eine Eröffnung machbar sein könnte. Verantwortlich für die Durchführung des Projekts sei die Geschäftsführung nicht der Aufsichtsrat.

Die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, ist gegen schnelle Rücktritte. Auf die Frage, ob der erneut geplatzten Eröffnungstermin auch Konsequenzen für CSU-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer haben könnte, sagte Hasselfeldt im oberbayerischen Wildbad Kreuth: „Es geht hier nicht darum, wer welches Amt verlässt oder im Amt bleibt, sondern es geht darum, ein Problem sachlich zu analysieren, bevor man irgendwelche konkreten Konsequenzen daraus zieht.“ Noch gebe es keine Aufklärung.

Unklar ist, ab welchem Zeitpunkt klar war, dass die mehrfach geplatzte Eröffnung des Flughafens erneut verschoben werden muss. Nach Angaben von Brandenburgs Landesregierung informierte Flughafen-Technikchef Horst Amann erstmals am vergangenen Freitag darüber, dass der Termin „real nicht zu halten“ sei. Die „Bild“-Zeitung berichtete dagegen, Amann habe bereits bei einer Besprechung am 18. Dezember einen Termin für frühestens 2014 in Aussicht gestellt. Die etwa zehn Teilnehmer dieser Besprechung mit Vertretern von Unternehmen, die die Brandschutzanlage am Flughafen installieren, hätten sich darauf geeinigt, die Verschiebung erst einmal nicht öffentlich zu machen.

Der Chef des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), forderte in der „Rheinischen Post“ und bei Handelsblatt online den sofortigen Rücktritt von Wowereit. „Wowereits Rücktritt ist überfällig. Wowereits gelangweilte, desinteressierte und schnoddrige Art, Berlin zu regieren, ist schon länger ein Skandal“, sagte Hofreiter der „Rheinischen Post“. „Eine Neuwahl wäre angesichts des Chaos, das die große Koalition schon angerichtet hat, für Berlin jetzt das Beste.“

FDP-Generalsekretär Patrick Döring forderte radikale personelle Konsequenzen. „Es wird Zeit, dass jemand fliegt beim BER“, sagte Döring der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). „Klaus Wowereit und Matthias Platzeck sollten Geschäftsführer Rainer Schwarz umgehend feuern und selbst Platz machen für Bau- und Finanzexperten im Aufsichtsrat“, sagte Döring.

Der Eröffnungstermin für den Flughafen Berlin Brandenburg wurde bislang schon um insgesamt zwei Jahre verschoben. Grund ist die komplexe Brandschutzanlage, die nicht rechtzeitig fertig wurde und bis heute nicht funktioniert. Der neue Flughafen soll die alten Airports in Tegel und Schönefeld ersetzen. Er wird nach jüngster Kalkulation mindestens 4,3 Milliarden Euro kosten, mehr als doppelt so viel wie anfangs angegeben.

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