Krawalle — Nordirland setzt Zukunft aufs Spiel

Die Region will Investoren und Touristen anziehen. Doch derzeit dominiert die Gewalt.

Belfast. „Nordirland 2012 — unsere Zeit, unser Ort“ — so hieß das Motto der großangelegten Kampagne, mit der die krisengeplagte britische Region im vergangenen Jahr einen Neustart anschieben wollte. Ein neues Titanic-Besucherzentrum sollte Touristen aus aller Welt anziehen, Investoren und Firmen sollten sehen: Schaut her, der Friedensprozess war erfolgreich, es lohnt sich wieder, sich bei uns niederzulassen.

Doch inzwischen zeigt sich bei den Krawallen auf den Straßen von Belfast die traurige Realität. Noch immer gibt es zwar vergleichsweise kleine und örtlich begrenzte, aber extrem gewaltbereite Gruppen, die alle Bemühungen für eine bessere Zukunft zunichtemachen könnten.

Das Leben im Norden der grünen Insel wird seit den 1960er Jahren vom Konflikt zwischen protestantischen Loyalisten, die weiter zu Großbritannien gehören wollen, und Katholiken, die einen Zusammenschluss mit der Republik Irland im Süden anstreben, bestimmt. Das Karfreitagsabkommen von 1998 brachte Frieden, doch bis heute sind vor allem einige Stadtteile von Belfast nicht ganz zur Ruhe gekommen.

Auslöser der neuesten Ausschreitungen war eine Entscheidung der Stadtverwaltung, die britische Flagge nicht mehr täglich, sondern nur noch zu bestimmten Feiertagen auf dem Rathaus zu hissen. Seitdem gab es Straßenkämpfe, Todesdrohungen und mehrere Bombenfunde.

Aus zunächst meist friedlichen Demonstrationen von Pro-Loyalisten gegen das Zurückstellen ihres Symbols entwickelt sich Gewalt. „Die Proteste werden von Trittbrettfahrern ausgenutzt“, sagt Polizeichef Matt Baggott. Paramilitärische Gruppen springen auf, und oft werden die Krawalle von jungen Leuten über soziale Netzwerke initiiert. Baggott: „Ich habe unzählige Kinder gesehen — ohne elterliche Kontrolle.“

In einer Zeit, in der das Land versuche, Investoren und Touristen anzuziehen, machten sie alle Erfolge wieder kaputt. So hatte bereits das Weihnachtsgeschäft gelitten, weil Geschäfte während eines Marsches schließen mussten.

„Wir brauchen eine konzertierte Aktion von Politikern und denen, die sich als Organisatoren der Proteste aufgestellt haben, zusammen mit den Eltern“, fordert Baggott. „Die Augen der Welt blicken auf uns. Es ist jetzt an der Zeit, dass die Leute sich anschauen, was sie da machen.“

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