Kritik von Kauder: Ein Geschoss in Londons Herz

Die Briten stört die deutsche Positionierung im Steuerstreit.

London. Wenn der Name eines deutschen Politikers gleichzeitig in mehr als zwei britischen Zeitungen steht und nicht Merkel heißt, dann muss etwas passiert sein. Der Name von Volker Kauder stand am Mittwoch in allen britischen Zeitungen.

Der CDU-Fraktionschef im Bundestag hatte sich getraut, einen Frontalangriff auf die Verweigerungshaltung Londons in Sachen Finanztransaktionsteuer zu starten.

Die Briten sind — zwei Tage vor dem Besuch ihres Premierministers David Cameron in Berlin — empört. „Jetzt heißt es: Großbritannien gegen Deutschland“, titelte der „New Statesman“. Und die „Daily Mail“ brachte auf Seite 1 ein Zitat Kauders, das in der dargebotenen Form nur falsch verstanden werden kann: „Europa spricht jetzt deutsch!“

Dabei ist eigentlich gar nichts geschehen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte mit seinem „Mund halten“-Zitat in Richtung Cameron schon die Richtung gewiesen. Kauder hat nun erneut das ausgesprochen, was in Deutschland und Frankreich mindestens seit ein paar Wochen allgemeine Erkenntnis ist. London habe als EU-Mitglied auch eine Verantwortung für Europa und sogar für das Projekt Euro.

Das saß. Denn die klaren Worte Kauders werden auf der Insel als klare Kampfansage an die City of London gewertet, jenes Bankenviertel an der Themse, das als größter Finanzplatz Europas für einen großen Teil des britischen Bruttoinlandsproduktes steht. Das Bankenviertel ist aber auch zum Synonym für ungezügelte Zockerei geworden.

Die britische Regierung um Premierminister David Cameron und Schatzkanzler George Osborne hat nach Meinung der meisten Analysten in Großbritannien gar keine andere Wahl, als gegen die Finanztransaktionssteuer zu sein.

Zu wichtig ist die City für die eigene Wirtschaft, zu oft haben wichtige Banken wie die HSBC ihre Abzugsdrohungen gen Asien wiederholt. Erst gestern gaben die Statistiker die neue, alarmierend hohe Arbeitslosenquote von 8,3 Prozent bekannt.

In so einer Situation auch noch die Banken mit einer Transaktionssteuer vergraulen? Finanzminister Osborne findet klare Worte: „Eine Finanztransaktionssteuer wäre ein Geschoss, gezielt auf das Herz Londons.“

Premierminister David Cameron versprach den Bankern erst am Dienstag bei einem Bankett, er werde für eine Aufweichung der EU kämpfen. Er unterstellte Brüssel „Realitätsverlust“ und warf den EU-Institutionen „sinnlose Eingriffe, Regeln und Regulierungen“ vor, die Wachstum eher verhinderten als auslösten.

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