Müngstener Brücke: Bahn vergisst ihre Fahrgäste

Auf der Müngstener Brücke dürfen keine Züge fahren: Die Bahn hat nicht bedacht, dass in den Waggons auch Menschen sitzen.

Remscheid/Solingen. Eine solch’ peinliche Panne hat es in der mehr als 100-jährigen Geschichte der Müngstener Brücke wohl noch nicht gegeben: Weil die Bahn sich verrechnet hat, dürfen über die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands vorerst weiterhin keine vollen Pendlerzüge rollen.

Auf der denkmalgeschützten, 107 Meter hohen Brücke zwischen Solingen und Remscheid stehen die Signale wieder auf Rot.

Es ist der Höhepunkt eines Schildbürgerstreiches: Im November 2010 hatte das Eisenbahnbundesamt (EBA) die Brücke aus Sicherheitsgründen gesperrt — Statikprobleme.

Die Bahn besserte nach, verstärkte die alte Stahlkonstruktion. Seit Jahresbeginn kündigte der Konzern bereits zwei Mal ein Ende der Sperrung an. Doch jedes Mal verlängerte das EBA die Sperrung.

Der dritte Anlauf endete nun mit einer totalen Blamage: Eigentlich hätte die Regionalbahn, wichtige Verbindung für Pendler im Bergischen Land, nach fünf Monaten Restaurierungsarbeiten seit Wochenbeginn wieder mit vollen Zügen rollen sollen.

Doch die Bahn hatte in ihrem Antrag an das EBA nur das Leergewicht der Züge berücksichtigt — und die Passagiere vergessen.

Die Aufsichtsbehörde hatte die Brücke für ein Gesamtgewicht von 72 Tonnen freigegeben, die verwendeten Triebwagen wiegen jedoch leer bereits knapp 70 Tonnen. Zudem überschreiten die Achslasten der Züge das vom EBA gesetzte Limit.

Seine Behörde habe deshalb den Verkehr mit den verwendeten Triebwagen sofort gestoppt, sagte Moritz Huckebrink, Sprecher des EBA, dem „Solinger Tageblatt“.

Für die täglich durchschnittlich 3000 Pendler auf der Strecke hat das üble Folgen: Sie müssen weiterhin am Solinger Bahnhof aus dem Zug aus- und in Ersatzbusse einsteigen.

Dann geht es die Serpentinen runter ins Tal, über die Wupper und wieder hinauf bis zum Remscheider Bahnhof Güldenwert, wo sie wieder in den Zug steigen können — und umgekehrt. Das ist pro Richtung ein Umweg von fast 30 Minuten.

„Unzumutbar“ nennt beispielsweise der Remscheider Alexander Anufriev (23), der in Solingen als Schleifer arbeitet, das, was ihm die Bahn zumute: „Seit einem halben Jahr sitze ich täglich insgesamt mehr als eine Stunde zusätzlich im Bus — für nichts. Und jetzt die erneuten Pleiten. Arbeiten bei der Bahn denn nur Dilettanten?“

Immerhin soll der Konzern bereits erste personelle Konsequenzen gezogen haben: Nach Informationen des „Solinger Tageblatts“ wurde ein führender Ingenieur der DB-Netz versetzt.

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