Flüchtlingsskandal: Ermittlungen nach Misshandlungen dauern noch

Arnsberg/Düsseldorf (dpa). Die Übergriffe von Wachleuten auf Flüchtlinge in einer Unterkunft des Landes in Burbach sorgten im Herbst für Entsetzen. Die Männer hatten mit zuvor menschenunwürdig behandelten Flüchtlingen posiert und dies auf Foto und Video festgehalten.

Flüchtlingsskandal: Ermittlungen nach Misshandlungen dauern noch
Foto: dpa

Das hat nicht nur strafrechtliche Folgen. Das Land NRW geriet wegen der Enge in den Heimen, nicht festgelegter Standards und mangelnder Kontrolle in die Kritik und kündigte Änderungen an.

Kurz vor Weihnachten hat sich nach Auskunft der Bezirksregierung in Arnsberg die Situation in den im Herbst zum Teil deutlich überfüllten Unterkünften des Landes entspannt. Die Kapazität wurde auf 7500 Plätze ausgeweitet. Die freien Betten würden allerdings benötigt, um auch während der Feiertage Menschen aufnehmen zu können. Für 2015 rechnet das Land mit einem weiteren Anstieg der Flüchtlingszahlen auf 43.000 Menschen.

Die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem sogenannten „Problemzimmer“ - einem vergitterten Raum - in der Notunterkunft in Burbach laufen weiter. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Siegen wird allein in diesem Komplex gegen rund 20 Beschuldigte ermittelt. Etwa die Hälfte davon seien Wachmänner, sagt Behördensprecher Johannes Daheim.

Außerdem stehen der Geschäftsführer des ehemaligen Heimbetreibers European Homecare aus Essen und mehrere Angestellte der Privatfirma im Fokus der Ermittler. „Das ist der damalige Heimleiter, das sind Sozialbetreuer aus der Einrichtung und weitere Beschäftigte der Verwaltung der Firma“, sagt Daheim. Sie sollen nach bisherigen Erkenntnissen nicht nur von der Existenz des vergitterten Raumes, sondern auch von dessen strafrechtlich relevanter Nutzung durch die Wachleute gewusst oder diese zum Teil möglicherweise sogar angeordnet haben.

Aus sichergestellten Unterlagen ergebe sich, dass Bewohner der Unterkunft dort eingeschlossen wurden, wenn sie beispielsweise das Rauchverbot in den Kasernengebäuden missachtet hätten. Sollte sich dies bestätigen, erhärte sich der Verdacht der Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung. „Es wird aber noch mehrere Monate dauern, bis wir alle Unterlagen ausgewertet haben“, sagte Daheim. Dienstpläne müssten abgeglichen und noch eine Reihe Zeugen vernommen werden.

Bisher hätten auch noch nicht einmal alle Rechstanwälte der Beschuldigten die Akten gesehen. Insgesamt laufen in den mehr als 20 Unterkünften des Landes mehr als 50 Ermittlungsverfahren, bei denen Wachleute als Beschuldigte geführt werden. Das teilte das Innenministerium den Mitgliedern des Innenausschusses Mitte Dezember mit.

Nach Bekanntwerden der Vorfälle in Burbach hatte der in die Kritik geratene Innenminister Ralf Jäger (SPD) das Landeskriminalamt beauftragt, sämtliche Übergriffe aufzulisten. Bislang geht das LKA davon aus, dass das Sanktionssystem in Burbach ein Einzelfall ist. Hinweise auf einen rechtsradikalen Hintergrund der Straftaten gebe es bislang nicht.

Die Staatsanwaltschaft Siegen hat nach bisherigem Erkenntnisstand den Eindruck, dass die Wachleute mit ihren Aufgaben auch angesichts der Überbelegung überfordert waren. Das „Problemzimmer“ habe zum Teil auch zur Entlastung der Wachleute dienen sollen. Zwischenzeitlich sind die von Minister Jäger angekündigten unangemeldeten Kontrollen der Unterkünfte und der Wachdienste angelaufen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Sicherheitsdienste wesentlich sensibler geworden seien.

Im kommenden Jahr sollen die Unterkunft in Burbach und das Heim im benachbarten Bad Berleburg zu einer „Einrichtung neuen Typs“ werden. Dort sollen neue Asylbewerber direkt registriert und gesundheitlich untersucht werden, bevor sie vor Ort ihren Asylantrag stellen können. Der Kreis Siegen-Wittgenstein wird die Trägerschaft übernehmen. Bis dahin soll der Komplex auch teilweise saniert werden. Grundsätzlich sei die Entscheidung gefallen, sagte ein Sprecher der für die Unterbringung von Flüchtlingen in NRW verantwortlichen Bezirksregierung in Arnsberg. „Einzelheiten müssen erst noch mit den verschiedenen Akteuren geklärt werden.“

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