Kita-Ausbau hinkt hinterher

Es klafft regional noch eine riesige Lücke zwischen Betreuungsangebot und -nachfrage.

Berlin. Die jüngsten Zahlen vom Statistischen Bundesamt zu den Betreuungsplätzen für Ein- und Zweijährige haben die Politik aufgerüttelt: Demnach fehlen bundesweit noch 220 000 Plätze in Kitas und in der Tagespflege, wenn der Rechtsanspruch auf Betreuung für diese Altersgruppe ab nächstem August eingelöst werden soll.

Da in der Vergangenheit maximal 57 000 neue Plätze innerhalb von zwölf Monaten geschaffen wurden, halten es die Statistiker für unwahrscheinlich, dass die Lücke rechtzeitig geschlossen wird. Auch fehlen noch rund 40 000 Erzieherinnen und Erzieher.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat angesichts des schleppenden Kita-Ausbaus für die Unter-Dreijährigen (U3) hingegen zur Ruhe gemahnt: „Wir dürfen jetzt keine Ängste schüren.“ Zumal die Zahlen nur den Stand vom März 2012 wiedergäben. Inzwischen seien nochmals 260 Millionen Euro vom Bund für neue Betreuungsplätze bewilligt worden.

Im Bundesdurchschnitt stieg die Betreuungsquote der Unter-Dreijährigen auf knapp 27,6 Prozent. Mehr als jeder Vierte in dieser Altersgruppe war damit für einige Stunden oder ganze Tage in einer Kita oder bei einer Tagespflegekraft.

Aber es gibt riesige regionale Unterschiede: In Nordrhein-Westfalen, das damit das Schlusslicht bildet, waren gerade einmal 18,1 Prozent der Unter-Dreijährigen außer Haus betreut. Das Land mit der höchsten Betreuungsquote war Sachsen-Anhalt mit fast 57,5 Prozent. Dort gibt es sogar heute schon einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Neugeborene.

Alle Ostländer einschließlich Berlin haben Betreuungsquoten von mehr als 42 Prozent. Unter den westlichen Flächenländern steht Rheinland-Pfalz mit 27 Prozent am besten da. Abweichungen gibt es auch bei Kindern mit und ohne Migrationshintergrund.

So betrug die Betreuungsquote bei Kindern mit ausländischer Familienherkunft nur 16 Prozent, bei den Kindern ohne Migrationshintergrund aber 33 Prozent. Bei der Hälfte der betreuten Kinder mit ausländischen Wurzeln wurde zu Hause nicht Deutsch gesprochen.

Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ermittelt das Deutsche Jugendinstitut (DJI) in München zudem, wie hoch der Bedarf pro Land ist. Christian Alt, der Leiter der Studie, sagte unserer Zeitung: „Die Lage ist überhaupt noch nicht entspannt.“ Nach seinen Untersuchungen liegt der Betreuungsbedarf in NRW bei 34 Prozent, in Rheinland-Pfalz bei 40 Prozent und in Hessen bei 48 Prozent.

Überlegungen der kommunalen Spitzenverbände, dass sich Eltern Betreuungsplätze teilen, um so die Lücke wenigstens vorübergehend zu füllen, hält er nicht für praktikabel. Alt gab den Kommunen Mitschuld an der Situation: „Sie haben die Aufgabe lange nicht ernst genommen.“

Nun müssten sich alle beeilen, und gerade in größeren Städten gebe es oft nicht ausreichend Bauplätze. Forderungen, die Qualitätsanforderungen für Betreuungseinrichtungen zu senken, lehnte Alt ab: „Im Interesse unserer Kinder sollten wir die Qualität hoch halten.“

Entspannt ist die Situation immerhin für die Drei- bis Fünfjährigen. Dort könne man praktisch von „annähernder Vollversorgung“ sprechen, erklärte das Statistische Bundesamt. Bundesweit liegt die Betreuungsquote bei gut 93 Prozent.

Ministerin Schröder sagte, sie höre, dass oft Fünfjährige Betreuungsplätze hätten, die für Zweijährige vorgesehen seien. Auch sollen private Tagespflegeplätze nicht mitgezählt werden. „Jedes Land muss jetzt im eigenen Interesse und im Interesse der Eltern Klarheit schaffen.“

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