SPD zittert um Rot-Grün in Köln - Streit um Kommunalwahl-Stimmen

Man kann von einem kleinen Polit-Beben sprechen. Epizentrum: Köln, Stimmbezirk 20 874. Die Erschütterungen reichen bis ins NRW-Innenministerium - und bald droht ein Nachbeben vor Gericht.

Köln. Es klingt nach Kölner Provinztheater. In Deutschlands viertgrößter Stadt will die Mehrheit im Rat vier Monate nach der Kommunalwahl alle fast 399 000 Stimmen neu auszählen lassen - wegen Zweifeln an Einzelergebnissen. Und das gegen den massiven Widerstand von SPD-Oberbürgermeister Jürgen Roters, der Kölner Bezirksregierung und Nordrhein-Westfalens Innenministerium. Demnächst haben wohl die Richter das Wort.

Brisant: Neben CDU und FDP kämpfen die Kölner Grünen vehement für eine Neuauszählung - und gehen damit auf Kollisionskurs zur SPD, mit der sie in der Domstadt eigentlich wieder koalieren möchten. Gleichzeitig ist ihre Forderung ein Affront gegenüber der rot-grünen Landesregierung.

„Sie erhalten heute die Möglichkeit (...), Ihre Entscheidung zu korrigieren“, appellierte Oberbürgermeister Roters an CDU, FDP und Grüne im Rat am Mittwochabend in einer Sondersitzung. Doch die Mehrheit beharrt auf der Neuauszählung. Nach der Kommunalwahl Ende Mai haben SPD und Grüne zusammen genauso viele Stimmen wie alle anderen Fraktionen, nur mit Roters zusammen kommt Rot-Grün auf eine hauchdünne Mehrheit. Die steht nun auf dem Spiel.

Eine Neuauszählung könnte die SPD den entscheidenden Sitz kosten. Betroffen wäre ausgerechnet der Kölner SPD-Parteichef und NRW-Landtagsabgeordnete Jochen Ott, der für die OB-Wahl im nächsten Jahr als Roters Nachfolgekandidat gilt. „Das Verhältnis zu den Grünen ist angespannt, die Lage schwierig“, sagt die Geschäftsführerin der SPD-Ratsfraktion, Barbara Lübbecke. Ginge die Wahl des Stadtoberhaupts für die SPD 2015 verloren, wäre die rot-grüne Mehrheit in Köln ohnehin dahin.

Das NRW-Innenministerium hält den Ratsbeschluss für rechtswidrig. Es gebe keine „konkreten, substanziiert vorgetragenen Unregelmäßigkeiten“ bei der Ermittlung der Wahlergebnisse, heißt es aus dem Haus von Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) sieht das genauso. Nächster Schritt wird also voraussichtlich sein: Die Bezirkregierung hebt den Ratsbeschluss auf. Und diesen Verwaltungsakt kann der Rat dann beim Verwaltungsgericht Köln anfechten.

Auslöser des Wirrwarrs? Das Wahlergebnis im Briefwahlstimmbezirk 20 874 in Köln-Rodenkirchen. Die CDU misstraut dem überraschend guten Abschneiden der dortigen SPD-Kandidatin und verlangte in dem Stimmbezirk eine neue Auszählung. Das wäre aber Willkür, argumentierten die Grünen und fordern seitdem eine komplette Neuzählung. Warum sie sich so weit aus dem Fenster lehnen, ist schwer nachvollziehbar. Grünen-Fraktionschefin Kirsten Jahn führt eine „tiefe Vertrauenskrise“ in der Bevölkerung an. „Hier geht es um Demokratie.“

Einzelne Grünen-Bundestagsabgeordnete haben SPD-Fraktionschef Martin Börschel zufolge den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags - geheim - mit einem Rechtsgutachten betraut. CDU-Chef Bernd Petelkau bedauert, dass es nun zu einem Gerichtsverfahren kommen werde. Die Bevölkerung habe aber ein Recht darauf, dass alle Zweifel ausgeräumt werden. Die CDU hofft auf ein Kippen der rot-grüne Mehrheit. Fest steht: Dem Image der Millionenstadt dient das alles nicht.

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