Streit um Rente: NRW und Witwe von Auschwitz-Opfer einigen sich

Düsseldorf (dpa) - Nach jahrelangem Rechtsstreit haben sich das Land Nordrhein-Westfalen und die Witwe eines Auschwitz-Überlebenden auf eine Rentenzahlung geeinigt. Die in Niederbayern lebende Frau soll rückwirkend von März 2009 an monatlich 600 Euro Beihilfe erhalten.

Zudem soll geprüft werden, ob die Krankenversorgung der 62-Jährigen übernommen werden kann.

Den Vergleich, der noch widerrufen werden kann, schlossen die Beteiligten am Dienstag auf Vorschlag der 27. Zivilkammer vor dem Landgericht Düsseldorf. Der in Herne geborene KZ-Überlebende hatte seit 1957 eine Rente wegen gesundheitlicher Schäden durch erlittene Gewalt, Haft und Zwangsarbeit erhalten. Das Gericht sprach am Dienstag von einem „schweren Verfolgungsschicksal“.

Der 1924 geborene Mann war von den Nazis als Angehöriger der Sinti und Roma verfolgt worden, er hatte Geschwister und den Vater im Holocaust verloren. Zuletzt betrug seine Erwerbsminderung 70 Prozent, dabei war unter anderem seine Herzerkrankung als durch die Verfolgung entstanden berücksichtigt.

Der Prozess hatte 2009 nach dem Tod des KZ-Opfers begonnen. Die Witwe beantragte Rente. Eine Rentenzahlung an Hinterbliebene ist laut Bundesentschädigungsgesetz daran geknüpft, dass der Tod auf eine durch die Verfolgung beruhende Schädigung zurückgeht. Ein Gutacher kam aber zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall war. Die Bezirksregierung Düsseldorf lehnte den Rentenantrag der Witwe darauf ab. Der 84-Jährige war an einer Lungenembolie gestorben, zwei Wochen nachdem ihm ein Herzschrittmacher eingepflanzt worden war.

Vor Prozessbeginn hatte Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, die Ablehnung des Antrags als „Willkürakt“ verurteilt. Holocaust-Opfer würden gegenüber ehemaligen Wehrmachtangehörigen benachteiligt, sagte der Anwalt der Witwe, Arnold Roßberg. Für das beklagte Land NRW war Regierungspräsidentin Anne Lütkes im Gericht. „Ich bin gekommen, um einen Vergleich abzuschließen“, sagte die Juristin unumwunden. Der Vorschlag des Gerichts bezog sich auf Beihilfe, die Hinterbliebene erhalten, wenn Verfolgte nicht an den Folgen der Schädigung gestorben sind. „Nach der derzeit geltenden Rechtslage war es bedauerlicherweise nicht möglich, Frau B. eine Hinterbliebenenrente zu gewähren“, sagte Lütkes.

Dieser aktuelle Fall zeige, dass die Rechtslage zurzeit in mancher Hinsicht nicht gerecht sei, sagte die den Grünen angehörende Regierungspräsidentin. Sie wolle eine bundesweite Debatte zur Reform des Gesetzes voranbringen. Weitere offene, streitige Fälle in ihrem Haus sollten geprüft werden, um zu ähnlichen Lösungen zu kommen. Wie viele Fälle das seien, sagte Lütkes nicht.

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