Philosoph Precht: Weg mit den Schulnoten

In seinem Buch fordert der Solinger eine ganz neue Form von Schule — für eine bessere Bildung.

Düsseldorf. Die Qualität der Schulen und der Bildung ist seit Pisa ein Dauerthema. Angeheizt wird die Debatte von Richard David Precht, der in seinem Buch „Anna, die Schule und der liebe Gott“ eine grundlegende Reform des Schulsystems fordert. Doch was steckt hinter den Ideen des Solinger Philosophen?

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) begrüßt es, dass Precht die Vision einer kind- und leistungsgerechten Schule verfolgt. „Ich halte aber wenig von Schwarz-Weiß-Malerei.“ Auch der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz Peter Meidinger, ist kritisch: „Precht arbeitet mit Pauschalurteilen und plündert brutal den gesamten Bauchladen an reformschulischen Projekten.“

Manche von Prechts Forderungen sind laut Löhrmann weniger revolutionär, als er sie verpackt. „Sie sind an vielen Schulen NRWs bereits gelebte Praxis.“ Statt Klassen wünscht sich Precht etwa Lernteams. Jahrgangsübergreifendes Lernen finde schon an den Grundschulen statt, so Löhrmann, und könne an weiterführenden Schulen phasenweise praktiziert werden.

Die von Precht geforderte Abschaffung von Fächern sieht Meidinger kritisch. „Das ist eine Abwertung des Wissens.“ Er gibt zu, dass Schüler sich nicht alles auf ewig merken, was sie an Wissen aufnehmen (ein Kritikpunkt Prechts), betont aber: „Man reift mit dem, was man lernt.“ Punktuelles fächerübergreifendes Lernen findet vielfach in Projektwochen statt, erklären die Experten.

Weg mit den Noten lautet eine weitere Forderung Prechts. Natürlich, so Meidinger, seien Noten nur Hilfsmittel und nie ganz objektiv. „Aber es hat keinen Sinn über Bildungsstandards zu sprechen, wenn man die nicht an Noten misst“, sagt der Experte. Die von Precht favorisierte Idee von ausformulierter, motivierender Bewertung gebe es in der Grundschule. „Und da fragen die Eltern immer nach, was das in einer Note umgerechnet wäre.“ Der geforderten Abschaffung des Sitzenbleibens hält Meidinger entgegen, dass mehr als 40 Prozent der Wiederholer in Deutschland freiwillig ein Jahr dranhängen, um fit zu sein für den Abschluss.

Meidinger empfindet einzelne Aspekte als sinnvoll, betont aber: „Es gibt keine Schule auf der ganzen Welt, die all das macht, was Precht will.“ Es gebe keine empirischen Belege für den Erfolg seiner Forderungen. Lesenswerter sei das Buch des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie, der sämtliche englischsprachige Studien über guten Unterricht gesammelt und analysiert hat. Meidinger selbst setzt auf zwei Dinge, um die Qualität der Schulen zu verbessern: mehr Lehrer und mehr Unterrichtszeit. „Das hat sich in Finnland bewährt.“

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