Regierungserklärung Kraft: Ist das der digitale Aufbruch?

Kraft will aufs Internet setzen. Die Opposition hält die Regierungspläne für zu dürftig.

Regierungserklärung Kraft: Ist das der digitale Aufbruch?
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Düsseldorf. Bevor NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ans Rednerpult im Landtag tritt, um ihre Regierungserklärung abzugeben, fingert sie etwas aus einer Jutetasche. Die SPD-Politikerin hält den Abgeordneten das weltweit kleinste, voll implantierbare Kunstherz entgegen. Entwickelt an der RWTH Aachen, mit 2,4 Millionen Euro Unterstützung des Landes.

Dass sich NRW an einer solchen Entwicklung beteiligt, war die eine Botschaft. Subtext: Wir bringen die Welt weiter. Die andere Botschaft ergibt sich auch erst aus einer Interpretation des Satzes von Kraft, mit dem sie das Herz näher beschreibt: „Es wird sich nach der Einpflanzung autonom, also ohne Eingriffe von außen, an den akuten, wechselnden Bedarf des Patienten anpassen.“ Der Patient — das kann auch NRW sein. Ein Patient, der Starthilfe braucht, und dann läuft es von allein.

In 51 Minuten zählt Kraft auf, was im Land digital schon in die Spur gesetzt wurde. Mitte 2014 seien bereits 70,7 Prozent der Haushalte beim Internet mit einer Übertragungsrate von 50Mbit pro Sekunde oder mehr ausgestattet gewesen. „Unsere Zusage steht“, versichert Kraft: „Wir werden dafür sorgen, dass bis 2018 die noch fehlenden Kommunen im ländlichen Raum an das Hochgeschwindigkeitsinternet angeschlossen werden.“ Der digitale Wandel eröffne die Chance auf Wachstum und Arbeitsplätze. Als Land wolle man insgesamt 640 Millionen Euro in innovative Zukunftsprojekte der Wirtschaft mit Schwerpunkt Digitalisierung investieren.

„MegaBits.MegaHerz.MegaStark“ überschreibt Kraft ihr Konzept, das sie „NRW 4.0“ nennt. Und dafür reichlich Hohn der Opposition erntet. FDP-Fraktionschef Christian Lindner macht aus dem Slogan NRW 4.0 ein „vier mal null“ — das sei das, was die Regierung in diesem Zukunftsbereich bisher geliefert habe. „Sie kleben Etiketten auf leere Tüten“, spottet Piraten-Fraktionschef Joachim Paul. Kraft hinke der Zukunft hinterher, anstatt sie zu gestalten.

CDU-Fraktionschef Armin Laschet lästert, die Regierungserklärung habe eine bedenkliche Ökobilanz: „Viel Verpackung, wenig Inhalt.“ Ein Versprechen der Ministerpräsidentin spießt Laschet genüsslich auf. „Kostenloses Wlan in der Fußgängerzone und Digital Lounges in öffentlichen Räumlichkeiten sollten zur Selbstverständlichkeit werden“, sagt Kraft. Laschet dazu: „Sie sagen uns nicht, wie das finanziert werden soll und wer sich um Bereitsstellung und Instandhaltung kümmert: die Kommune, ein privater Dienstleister oder gar die Bürger?“

Einen weiteren Schlagabtausch gibt es um das von Kraft aufgegriffene Thema, das beim digitalen Wandel auch die Menschen mitgenommen werden müssten. Stichwort Arbeitsbedingungen. Auch in Smartphone-Zeiten hält Kraft es für ein „Menschenrecht, nicht erreichbar zu sein“. Laschet will das nicht so hoch hängen. Er empfiehlt der Ministerpräsidentin, mal darüber nachzudenken, ob dies die richtige Tonlage sei, um den Anforderungen gerecht zu werden, die die Digitalisierung mit immer neuen Berufsbildern mit sich bringe.

Kern der Laschet-Kritik ist die aus seiner Sicht zu geringe Förderung von Start-up-Unternehmen. 70 Millionen Euro Hilfe seien hier nicht genug. Steuerentlastung und Bürokratieabbau müssten hinzukommen.

Der weitgehend frei sprechende FDP-Fraktionschef Christian Lindner drückt das so aus: „In den USA geht man zur Gründung eines Unternehmens in eine Garage, bei uns geht man zum Amt. Wenn Steve Jobs Apple in NRW hätte gründen wollen, dann wäre bereits der Bau der Garage an der Baunutzungsverordnung gescheitert.“

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