Scharia: Säureopfer will den Peiniger verätzen

Die Iranerin Ameneh Bahrami wurde bei einem Anschlag entstellt. Sie ist fest entschlossen, sich zu rächen.

Teheran. Sein hämisches Lachen klinge noch in ihren Ohren. Das, sagt Ameneh Bahrami, wird ihr die Stärke geben, um in nächster Zeit die Säurepipette in die Hand zu nehmen.

Ein Mann wird vor ihr liegen, betäubt. Ihm will sie einige Tropfen ätzende Säure in beide Augen träufeln. Wenn er aufwacht, wird er blind sein - genau wie sie. In ihrem kürzlich erschienenen Buch "Auge um Auge" (MVG Verlag, 19,95 Euro) erklärt sie, warum sie fest dazu entschlossen ist.

Ein verschmähter Liebhaber hat Ameneh Bahrami (32) vor sechs Jahren im Iran mit Schwefelsäure übergossen. Die Säure entstellte ihr Gesicht, verletzte Kopfhaut, innere Organe, ihre Hände und ließ sie erblinden. Die Säure hat ihr grausames Werk noch nicht abgeschlossen, frisst sich immer tiefer durch ihre Haut. Seitdem träumt Ameneh vom Moment der Vergeltung.

Nach jahrelangem Rechtsstreit hat die heute in Barcelona lebende Frau durchgesetzt, dass sie Rache üben darf. "Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr, Zahn um Zahn; und auch für die Verwundungen gilt die Wiedervergeltung", heißt es im Koran. Und die Augen ihres Peinigers Madschid darf Bahrami nun verätzen. Das Gericht stellte ihr frei, ihn zu blenden oder ein Schmerzensgeld von zehntausenden Euro zu akzeptieren.

"Um Rache geht es mir nicht", sagte sie zuletzt in mehreren Interviews. Ihr Leben sei wie auch ihr Augenlicht ohnehin zerstört. Vielmehr werde sie die Bestrafung vornehmen, um iranische Männer von ähnlichen Taten abzuhalten. Sie sieht sich als Kämpferin für die Frauen im Iran.

Vor der Attacke auf Ameneh Bahrami hatte es lange keinen Säureanschlag mehr auf eine iranische Frau gegeben. Anschließend häuften sich die Fälle. Das harte Urteil, so hoffen die Richter, soll eine abschreckende Wirkung zeigen. Wenngleich selbst der Richter ihr ans Herz gelegt haben soll, auf die Blendung Madschids zu verzichten.

Die Beharrlichkeit, mit der Ameneh Bahrami zur Vollstreckerin werden will, stößt auf Entsetzen. Die iranische Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi und der Chef der iranischen Justiz, Ayatollah Mahmoud Hashemi Sharoudi, haben versucht, sie umzustimmen. Auch ihr Großvater soll sie auf dem Sterbebett darum gebeten haben, die in der Scharia vorgesehenen Blutrache nicht zu vollziehen.

Das alles lässt Bahrani kalt. Sie ist genervt von dem Vorwurf, gegen die Menschrechte zu verstoßen. "Bin ich denn kein Mensch? Ich bin es leid, dass in dieser Welt die Täter geschützt werden, alle, die selbst die Menschenrechte mit Füßen treten", sagte sie "Spiegel Online".

Die Entscheidung, wann genau sie aus Barcelona zu ihrem Peiniger ins Gefängnis nach Teheran fährt, um ihm das Augenlicht zu nehmen, hat Ameneh noch nicht gefällt.

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