11. November 1989: Die Mauer wird stückchenweise zum begehrten Souvenir

Berlin. Frühmorgens an diesem Tag, etwa gegen zwei Uhr, fahre ich mit Walter Momper zur Mauer. Ich sehe nun zum ersten Mal, was sich hier entwickelt hat. Wir gehen die kurze Strecke vom Potsdamer Platz bis zum Brandenburger Tor zu Fuß.

11. November 1989: Die Mauer wird stückchenweise zum begehrten Souvenir
Foto: dpa

Wir hören das Geräusch von Hämmern. Von hunderten von Hämmern.

Dies hier ist für uns der neuralgischste Punkt. In der Nacht vorher haben die DDR-Grenzer versucht, die Menschen, die die Mauerkrone besetzt halten, mit Wasser aus Schläuchen zu vertreiben. Und auf dem Kontrollstreifen stehen sehr viele bewaffnete Grenzsoldaten.

Doch die meist jungen Leute schert das alles nicht. Sie erobern sich den Platz zurück, sie johlen und feiern. Die Scheinwerfer vieler Kamerateams aus der ganzen Welt sind auf sie gerichtet, alles ist in ein gleißendes Licht getaucht. Die Straße des 17. Juni steht voll mit Übertragungswagen.

Das Brandenburger Tor ist national wie international der wichtigste symbolische Ort. Obwohl hier gar kein Grenzübergang ist, obwohl hier niemand von Ost nach West geht. Wir haben Polizeiwagen auffahren lassen, die von der Westseite her ganz dicht an der Mauer stehen und den Zugang zu ihr blockieren sollen. Aber auch sie können nicht verhindern, dass überall mit kleinen und großen Hämmern versucht wird, Löcher in den Beton zu schlagen.

Die Bruchstücke nehmen sich die Leute als Souvenir mit. Am Potsdamer Platz sind auf der Ostseite schwere Baumaschinen im Einsatz. Die Pioniere bauen mit Hochdruck eine Straße quer über den Kontrollstreifen, denn hier soll bis morgen ein neuer Übergang entstehen und die Mauer geöffnet werden. Vormittags hat unsere Senatskanzlei deswegen kurzfristig noch einmal Kontakt mit der DDR-Seite aufgenommen hat.

Unsere Experten haben nämlich festgestellt, dass die Straße, die die Pioniere da bauen, das Anschlussstück im Westen knapp verfehlen wird. Der Osten hat falsch gemessen. Spätabends bin ich wieder an dieser Stelle. Ein Kran der Grenztruppen nimmt im Blitzlichtgewitter der Fotografen ein Segment des Grenzwalls hoch. Tausende von Menschen beobachten die Szene und klatschen Beifall. Diesen Moment empfinde ich bis heute als das Ende der Mauer.

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