Stichwahl-Analyse Unübersichtlichkeit in NRW

Ihren Sieg aus der Kommunalwahl 2014 hat die CDU verspielt, die Stichwahl hat SPD-Sieger ohne Mehrheiten ins Amt gebracht.

Der Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalens: Bodo Löttgen.

Der Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalens: Bodo Löttgen.

Foto: Martin Gerten

Düsseldorf. Dass der Generalsekretär der CDU Nordrhein-Westfalens, Bodo Löttgen, trotz reihenweise verlorener Stichwahlen gerne glauben möchte, die Christdemokraten an Rhein und Ruhr stünden prima da, kann man irgendwie verstehen: „Seit 2012 hat die CDU hier in NRW jede Wahl gewonnen: 2013 die Bundestagswahl, im letzten Jahr die Europawahl und die Kommunalwahl mit 38,6 Prozent. Die CDU ist und bleibt die stärkste kommunale Kraft in Nordrhein-Westfalen“, verkündete Löttgen am Sonntagabend.

Das ist nicht völlig falsch — und dennoch nicht die Wahrheit über das Stichwahlergebnis. Natürlich hat die CDU mit Essen nach Bonn und Oberhausen Großstadt-Punkte gemacht. Und sie hat einmal mehr deutlich gemacht, dass das Ruhrgebiet wirklich nicht mehr zum politischen Eigentum der SPD gehört. Was die CDU aber verschweigt: Sie hat ihre strukturelle Mehrheit in den NRW-Städten verloren. Und sie hätte es kommen sehen können.

In einem Sammelband mit dem verheißungsvollen Titel „Karrierechance Bürgermeister“ veröffentlichte der stellvertretende Leiter der NRW-Landeszentrale für politische Bildung noch vor der Kommunalwahl 2014 eine interessante Einschätzung: „Sollte die SPD sich in der Landespolitik (mit ihrer Regierungsverantwortung) in den kommenden Jahren jedoch weiter konsolidieren, könnte dieser Umstand ihr bei den Wahlen auf kommunaler Ebene ein wenig behilflich sein, denn Kommunalpolitik ist eben auch Ländersache“, so Andreas Kost.

Für diese Prognose musste Politikwissenschaftler Kost kein Hellseher sein: Nach der Kommunalwahl 1999 stellte die CDU 66,4 Prozent aller Bürgermeister im Land. 2004 waren es dann noch 57,1 Prozent, 2009 nur noch 54,3. Mit der Stichwahl am Sonntag hat die CDU ihre strukturelle Mehrheit beim städtischen Führungspersonal in NRW wahrscheinlich für lange Zeit verloren. „Die Tendenz geht für uns klar nach oben“, bestätigt SPD-Sprecher Christian Obrok am Montag auf Anfrage.

Vor der Kommunalwahl 2004 stellte die SPD nur in 84 Kommunen und Kreisen den Oberbürgermeister, Landrat oder Bürgermeister. Seit Sonntag sind es 122 Städte und Kreise. Und dabei sind nur die „echten“ SPD-Rathaus-Chefs mitgezählt ohne parteilose oder sonstige Bündnis-Kandidaten. Innerhalb eines Jahrzehnts hat die SPD 50 Prozent Chefsessel gewonnen.

Ein Grund dafür, dass die CDU ihren knappen Wahlsieg von 2009 faktisch verspielt hat: Vielfach stimmte die Chemie zwischen der örtlichen CDU und dem CDU-Bürgermeister nicht, vor allem am Niederrhein herrschten zwischen Partei-Basis und Rathaus-Chef teils zerrüttete Verhältnisse. Häufig passte der Basis schon nicht, dass ihre Bürgermeister überhaupt bis 2015 im Amt bleiben wollten, statt sich 2014 gemeinsam mit der Partei dem Votum des Wählers zu stellen.

Dass einige CDU-Bürgermeister — wie Norbert Feith in Solingen und Gregor Kathstede in Krefeld — zudem erst nach der Kommunalwahl 2014 erklärten, 2015 nicht mehr zur Verfügung stehen zu wollen, machte es der CDU doppelt schwer. Umgekehrt geraten nun etliche der neuen SPD-Bürgermeister unter einen besonderen Legitimationsdruck: Aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung sind sie teilweise von rund 80 Prozent der Wahlberechtigten nicht gewählt worden. Sie müssen sich nun die Zustimmung der städtischen Mehrheiten erst erarbeiten und verfügen häufig auch in den Räten über keine stabile Hausmacht. Das kann in diesen Städten durchaus eine Chance für mehr Bürgerbeteiligung, für mehr Transparenz und Kommunikation sein.

Ohne explizit die CDU zu nennen, rät eine Studie der Landeszentrale für politische Bildung (Titel: „Demokratie ohne Wähler?“, 2013) dagegen zu einer Öffnung nach innen: Sympathisanten aller Parteien seien der Ansicht, dass Mitglieder mehr an der programmatischen Arbeit beteiligt werden sollten: „Urwahlen und Mitgliederentscheide sollten nicht mehr nur sporadisch und nach Gutdünken der Parteispitze eingesetzt werden.“

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