Analyse: Warum die Kritik an zu Guttenberg abprallt

Die Mehrheit steht trotz der Doktortitel-Affäre weiterhin zu dem Verteidigungsminister.

Berlin. Professor Dr. Eicke Weber ist fassungslos, wenn er über Karl-Theodor zu Guttenberg spricht. Weber, Leiter des Fraunhofer Instituts für Solarenergie in Freiburg, verweist auf seine 23-jährige Erfahrung als Wissenschaftler in den USA — und auf den wissenschaftlichen Ehrenkodex: „Dort wäre man als Minister sofort erledigt und müsste zurücktreten.“

In der Wissenschaftslandschaft ist man erschüttert über das massenhafte Verwenden fremden geistigen Eigentums in der Doktorarbeit Guttenbergs (CSU). Der Göttinger Politologe Franz Walter sieht im Umgang der Union mit dem Fall Guttenberg eine „Kapitulation des Bürgertums“, seiner Forderungen, seiner Lebensform, seines Ethos.

Allerdings denken viele Bürger ganz anders als weite Teile von Medien und Opposition. Guttenbergs Beliebtheit ist laut einer ARD-Umfrage sogar noch gestiegen. Und 72 Prozent sind demnach der Ansicht, dass Guttenbergs Verzicht auf den Doktortitel ausreiche, um sein Ministeramt weiterzuführen.

Der Politikberater Michael Spreng sagt, das gleiche Phänomen wie bei Guttenberg könne man auch bei Fans von Popstars beobachten: „Gleichgültig, welche Exzesse vorkommen oder welche Skandale — das schweißt die Fans eher noch enger an ihr Idol, und die Bewunderung bleibt.“

Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter vermutet hingegen eine grundsätzliche Fehleinschätzung: „Leute, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben, verstehen überhaupt nicht, dass Plagiate und das Nicht-Angeben von verwendeten Quellen eine Art Todsünde, ja ein Kapitalverbrechen im System Wissenschaft ist, dass dies Diebstahl geistigen Eigentums darstellt und nichts mit Schummeleien in der Schule zu tun hat.“

Die Kritik führe zu einer Trotzreaktion bei dem Pro-Guttenberg-Lager, frei nach dem Motto: „Wir lassen uns unseren Guttenberg doch nicht aus durchsichtigen politischen Gründen sturmreif schießen“. Um so aus einer Krise raus zu kommen, müsse man extrem beliebt sein.

„Das ist ein sehr ungewöhnliches Phänomen“, sagt Falter. Im politischen Berlin kann sich kaum jemand an einen solchen Riss erinnern, der je so zwischen medialer Bewertung und öffentlicher Meinung geklafft hätte, wie er das nun bei zu Guttenberg tut.

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