KZ Buchenwald Gedenken an die Befreiung vor 70 Jahren

Noch einmal kehren 80 Überlebende des KZ Buchenwald an den Ort ihres Leidens zurück — 70 Jahre nach ihrer Befreiung.

Eine rote Nelke liegt am 11. April auf dem Appellplatz der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar (Thüringen) während der Gedenkfeier.

Eine rote Nelke liegt am 11. April auf dem Appellplatz der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar (Thüringen) während der Gedenkfeier.

Foto: Sebastian Kahnert

Weimar. „O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen, weil du mein Schicksal bist.“ Diese unter die Haut gehenden Worte aus dem Lied der Buchenwalder ist für den 85 Jahre alten Sol Lurie nach 70 Jahren noch aktuell wie damals. Er war einer der 21000KZ-Überlebenden, die am 11. April 1945 von US-Soldaten befreit wurden. Es war sein 15.Geburtstag und der Beginn eines Lebens in Freiheit. Der Jude aus Kaunas in Litauen war einer der 904 Kinder und Jugendlichen, die auch durch die Solidarität älterer Häftlinge überlebten.

Da lagen die Torturen von sechs NS-Lagern — unter anderem Dachau und Auschwitz-Birkenau — hinter ihm. Er war mehrmals auf der Flucht vor den Deutschen, im Ghetto und als Häftling dem Tod knapp von der Schippe gesprungen. „Ein Wunder“, sagt Lurie am Samstag an seinem 85. Geburtstag. In Weimar erinnert er gemeinsam mit etwa 80 Überlebenden aus aller Welt noch einmal an die 56000Toten des KZ Buchenwald und seiner 136 Außenlager. 250000 Menschen hatte die SS von 1937 bis 1945 auf den Ettersberg bei Weimar getrieben und als Zwangsarbeiter schuften lassen.

Es war am Ende das größte KZ auf deutschem Boden. Zweieinhalb Monate zuvor war Auschwitz befreit worden, es folgten nach Buchenwald die letzten KZ: Bergen-Belsen (15. April), Sachsenhausen (22./23. April), Dachau (29. April) und Ravensbrück (30. April).

„Ich glaube, ich bin gerettet worden, um der Welt zu erzählen, wie es war“, sagt Lurie, der im Sommer 1945 in ein Waisenheim nach Frankreich kam und 1947 in die USA auswanderte. Seine Mutter und ein Bruder waren wenige Tage vor der Befreiung in einem Lager gestorben. Seinen Vater, der wieder in Litauen lebte, sah er erst 1969 wieder. Erst seit acht Jahren könne er auf Nachfragen seiner Enkelin über die Gräuel sprechen, erzählt er — dicht umringt von jungen und älteren Zuhörern im Deutschen Nationaltheater.

„Ich wollte Hitler überleben“, sagt er auf die Frage, was ihn angetrieben hat, nicht aufzugeben. „Am 11. April wusste ich, ich habe Hitler überlebt.“ Damals vor 70 Jahren ertönte gegen 15.15Uhr über die Lautsprecher des Lagers der lang ersehnte wie unglaubliche Satz: „Kameraden, wir sind frei!“ Neben Lurie sitzt der US-Veteran Charles Robert Harmon. Er ist einer von drei US-Soldaten, die 1945 als Befreier kamen. Die eigentlichen Helden sind Männer und Frauen wie Lurie, betont Harmon. „Lurie war hilflos, ich hatte eine Waffe.“

„Was damals passiert ist, passiert auch heute noch überall“, meint Lurie und ist sich mit Harmon einig: Die Menschen müssen aus der Vergangenheit lernen, einander zu respektieren, zu helfen und zu lieben. Und nein, er hasse niemanden, sagt Lurie. „Wenn ich die Deutschen hassen würde, wäre ich nicht besser als die, die uns Juden vernichtet haben.“

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