Stunde Null Nicht immer Schandfleck: Hunderte Weltkriegsbunker stehen noch in NRW

Sie sind hässliche Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs. Ihr Kennzeichen: grauer Beton. Der Bund will sie loswerden. Und es finden sich sogar Käufer.

DEr U-Bootbunker "Valentin" im Stadtteil Farge von Bremen ist Gedenkstätte. Auf seinem Dach wurden mittlerweile Solarpanels installiert. (Archivfoto 2012)

DEr U-Bootbunker "Valentin" im Stadtteil Farge von Bremen ist Gedenkstätte. Auf seinem Dach wurden mittlerweile Solarpanels installiert. (Archivfoto 2012)

Foto: Ingo Wagner

Dortmund/Bonn. - Sie stehen seit 70 Jahren in Wohngebieten, in der Nähe von Industrieanlagen oder einfach nur hässlich in der Landschaft herum. Adolf Hitler ließ vor und während des Zweiten Weltkriegs Hunderte Bunker bauen, anfangs Tiefbunker, später aus Kostengründen Hochbunker. Ihr Markenzeichen: Dicke Betonwände, manchmal mit Stahl durchsetzt. Sie sollten die Bevölkerung vor Bombenangriffen schützen.

In eng bebauten Gebieten sind sie kaum wegzubekommen. Ein langsames Abtragen ist teuer. Eine Sprengung würden den halben Block verwüsten. Für potente Käufer ist jedoch eine Umnutzung oder die Beseitigung für einen Supermarkt kein Problem. Nach Angaben des Bundesamtes für Immobilienaufgaben sind in NRW bislang 33 Hochbunker verkauft worden. „Kaufinteressenten sind die Stadt, Architekten, Projektentwickler, Privatleute, Künstler, Vereine. Da der Stand der Technik mittlerweile einfache Eingriffe in die massiven Wände ermöglicht, trauen sich immer mehr Menschen an diese Spezialimmobilie heran“, sagt Sprecher Thorsten Grützner.

Die meisten Bunker sind vor und im Zweiten Weltkrieg in den Großstädten, den Industriegebieten und Hafenstädten gebaut worden. Neben Duisburg-Rheinhausen mit seinen Stahlwerken war die Nordseehafenstadt Emden die Bunkerhauptstadt des Reiches, gemessen an der Zahl der Bunkerplätze pro Einwohner. Den größten Tiefbunker gibt es bis heute in Dortmund. Das Stollensystem durchzieht über mehrere Kilometer den Untergrund der Innenstadt.

Ursprünglich waren alle Bunker im Staatsbesitz. Inzwischen werden sie vom Bundesamt verkauft, wenn es nur irgendwie geht. Nach dem Krieg lebten oft Ausgebombte und Flüchtlinge in den Gemäuern. Heute sind sie meist ein idealer Rückzugsort für Musiker. Draußen hört man dank der meterdicken Wände nichts. Auch Kneipen, Museen, Geschäfte, Büros, Wohnungen und Lager sind typische Nachnutzungen. Neben der Westfalenhalle wurde ein Tiefbunker zeitweise sogar als Hotel genutzt. Den Eingang gibt es noch heute.

Architekten haben einen neuen Clou entdeckt. Ganze Häuser bauen sie auf die Bunker. In Bochum ist sogar ein Hochhaus auf einen Bunker gesetzt worden. 89 Meter ragt das Exzenterhaus in den Himmel. In 15 Etagen sind Büros untergebracht. In Schweinfurt will ein Ehepaar auf einem Hochbunker eine zweigeschossige Dachwohnung bauen.

In Dortmund sind gleich zwei Projekte geplant. In der Nähe alter Industrieanlagen steht wenig malerisch der Bunker am Leierweg. Baugerüste verdecken fast das Gemäuer. Obendrauf entstehen zwei Wohnhäuser. Noch größer planen es LKM Immobilien an der Ruhrallee, einer vielbefahrenen Straße am Südrand der Innenstadt. „Bewohnbare Südtribüne“ in Anlehnung an die zwei Kilometer entfernte Südtribüne von Borussia Dortmund nennen es die Erfinder. Sie wollen terrassenförmig drei Wohnkomplexe auf den Hoch-Tief-Bunker setzen. In Dortmund-Hörde soll ein frei stehender Hochbunker einem Elektronikmarkt weichen. Da wird Sprengstoff gebraucht.

Die Bunker selbst verkauft der Bund eher preiswert. Meist gehen die Betonklötze für wenige Hunderttausend Euro über den Tisch, Grundstück inklusive. Manchmal sind aus Löchern in den Wänden Fenster entstanden. Ein Beispiel dafür ist der Werthacker Bunker am Kreuz Kaiserberg an der A 40 in Duisburg.

Richtige Schandflecken sind die Betonklötze selten. „Da die Hochbunker sich dem Stadtbild anpassen sollten, erhielten viele von ihnen normale Giebeldächer mit Dachpfannen, manche wurden sogar noch bis 1945 verklinkert“, sagt Michael Bühn vom Forum und Infoportal „Bunker NRW“.

Eine Sonderform ließ sich der Rheinländer Leo Winkel einfallen. Er konstruierte spitze Bunker, die aussahen wie überdimensionale Betonzigarren. Die spitze Form bot wenig Angriffsfläche für Fliegerbomben. Die Form lohnte wegen der geringen Aufnahmekapazität aber eher für Industrieanlagen als Betriebsbunker. An der alten Erzbahntrasse zwischen Gelsenkirchen und Bochum stehen noch viele Kleinsttürme, die eher als Splitterschutz für die Lokbesatzung oder Bahnwärter dienten.

Während des Kalten Krieges seien auch neue Bunkeranlagen errichtet worden, sagt Dennis Olbrich von „Bunker NRW“. „Diese fallen häufig nur dem interessierten Bunkerfreund auf. Sie sind zum Beispiel in Schulen, Parkhäusern und öffentlichen Gebäuden integriert.“

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