Türkei zögert im Kampf gegen IS

Der Westen hätte den Nato-Partner gerne als zentralen Verbündeten. Die Liste der Vorwürfe an die Adresse Ankaras ist lang.

Türkei zögert im Kampf gegen IS
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Ankara. Ein Blick auf die Landkarte, die der Sender CNN-Türk dieser Tage ausstrahlte, lässt keinen Zweifel am Chaos an der Grenze der Türkei zu Syrien und dem Irak. 14 Übergänge sind dort entlang der mehr als 900 Kilometer langen Grenze eingezeichnet. Drei davon kontrolliert bereits die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die restlichen verteilen sich auf fünf weitere Bürgerkriegsparteien. Obwohl der IS bis an den Süden der Türkei vorgerückt ist, ist der Nato-Staat zurückhaltend bei Zusagen im Kampf gegen die Extremisten — und bezieht dafür Prügel besonders von US-Medien.

Unter der Überschrift „Unser Nicht-Alliierter in Ankara“ ging das „Wall Street Journal“ in dieser Woche besonders hart mit der Türkei ins Gericht. „Nicht nur will Ankara sich militärisch nicht engagieren“, heißt es. „Es wird den USA auch verbieten, die US-Luftwaffenbasis in Incirlik — weniger als 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt — für Luftangriffe gegen die Terroristen zu nutzen.“ Die Türkei sei „ein Mitglied der Nato, hat aber vor langer Zeit damit aufgehört, sich wie ein Verbündeter der USA oder ein Freund des Westens zu verhalten“.

Die Liste der Vorwürfe an die Adresse Ankaras ist lang. Die türkische Führung wird beschuldigt, durch ihre Politik der offenen Grenzen zum IS-Erstarken beigetragen zu haben — viele ausländische Kämpfer sind ungehindert über das Land nach Syrien gereist. Ankara wird vorgeworfen, die Gefahr durch IS in der Hoffnung auf einen Sturz des Assad-Regimes in Syrien ignoriert zu haben. Indirekt soll die Türkei als schwarzer Absatzmarkt für das Öl, das in den von IS eroberten Gebieten gefördert wird, Millionenbeträge in die Kasse der Terroristen spülen.

Beanstandet wird auch, dass verwundete IS-Kämpfer in der Türkei behandelt wurden. Die regierungskritische Zeitung „Taraf“ zitiert eine Krankenschwester aus dem südtürkischen Mersin mit den Worten: „Wir behandeln sie, und dann gehen sie und schneiden Köpfe ab.“

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wies die Vorwürfe als „unanständig“ zurück. Die Regierung führt an, dass ihr die Hände gebunden sind, weil der IS 49 Türken in ihrer Gewalt hat. Wie sich die Regierung um deren Freilassung bemüht, ist unklar — sie hat eine Nachrichtensperre verhängt. Westliche Experten sagen, dass die Geiseln die Türkei zwar in ihrer Handlungsfreiheit beschränken. Sie deuten aber an, dass sie Erdogan auch ein Argument dafür liefern, sich nicht engagieren zu müssen.

Auch wenn US-Außenminister John Kerry Erdogan bei einem Besuch in Ankara einen „alten Freund“ nannte: Die islamisch-konservative Führung der Türkei hat sich in den vergangenen Jahren vom Westen entfernt.

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