Handelsabkommen zwischen Europa und den USA Ulrich Grillo ist für TTIP

Industrie-Präsident Ulrich Grillo will das transatlantische Handelsabkommen, weil es zu mehr Wohlstand und Arbeitsplätzen führt. Sollte das Projekt scheitern, wäre der politische Schaden immens.

Handelsabkommen zwischen Europa und den USA: Ulrich Grillo ist für TTIP
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Herr Grillo, TTIP-Befürworter sprechen von mehr Jobs, mehr Flexibilität und mehr Wohlstand. Trifft das zu?

Ulrich Grillo: Ja, denn freier Handel und offene Märkte sind die Grundlage des Wohlstands in Deutschland. Fast jeder vierte Arbeitsplatz hängt hierzulande vom Export ab. In der Industrie ist es sogar jeder zweite. Die Exportquote in Deutschland beträgt fast 40 Prozent, also nahezu jeder zweite Euro unserer Wirtschaftsleistung wird im Ausland erwirtschaftet.

Ein starkes TTIP wird den Zugang zum großen US-amerikanischen Markt verbessern. Davon profitieren nicht nur die unmittelbaren Anbieter, sondern auch ihre Partner in der Zulieferer-, Dienstleistungs- und Logistikindustrie — mit ihren Beschäftigten. Und es nützt den Verbrauchern, wenn der Handel einfacher, schneller und günstiger wird. Wie hoch die Wachstums- und Beschäftigungseffekte sein werden, können wir heute nicht beziffern. Dies hängt am Ende vom Verhandlungsergebnis ab.

Unsere Erfahrungen mit verabschiedeten Freihandelsabkommen zeigen: Sie sichern und schaffen Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland. Dies wird auch mit TTIP gelingen. Es geht aber um noch mehr: um die Regeln für die Globalisierung und um die Entwicklung möglichst hoher globaler Standards. TTIP steht damit für einen Gestaltungsanspruch der EU bei der Globalisierung.

Wie beurteilen Sie die privaten Schiedsgerichte im Rahmen von TTIP?

Grillo: Investitionsschutzverträge schützen den Investor vor politischen Risiken im Ausland. Sie sind wichtig für die Empfängerländer, damit Investitionen stattfinden. Sie sind wichtig für die Internationalisierung unserer Unternehmen. Deutschland hat derzeit 129 gültige Investitionsschutzverträge, übrigens auch mit EU-Staaten. Wenn sich ein Investor in seinen Rechten verletzt sieht, ist es klug, dass er seine Rechte unmittelbar einklagen kann. Investor-Staats-Schiedsverfahren sind ein selbstverständlicher Bestandteil des völkerrechtlichen Investitionsschutzes. Aus Sicht des BDI sollten EU und USA diese Schiedsgerichte im Rahmen von TTIP weiterentwickeln und reformieren: Wer, wenn nicht wir?

Dazu gehören eine höhere Transparenz von Verfahren und Urteilen sowie die Einführung eines Berufungsmechanismus. Zentral ist zudem, explizit den Gesetzgebungs- und Regulierungsspielraum der Staaten zu schützen. Für mich ist klar: TTIP bietet die Chance, ein bewährtes Instrument zu modernisieren. So entsteht die Blaupause für andere Abkommen. Die EU sollte selbstbewusst und konstruktiv auch über den Investitionsschutz verhandeln.

Bietet TTIP die Basis, um Regulierungen zum Schutz von Bürgern und Volkswirtschaften auszuhebeln?

Grillo: Nein, keineswegs. Derartiges schließt das Mandat, auf dessen Grundlage die EU-Kommission verhandelt, eindeutig aus. Die Bundesregierung und das EU-Parlament haben klargestellt, dass sie keinem Abkommen zustimmen würden, das europäische Niveaus im Verbraucher-, Daten- oder Umweltschutz senken oder entwerten würde. Alles andere wäre eine Überraschung. Die vorliegenden Verhandlungsvorschläge geben keinen Anlass, daran zu zweifeln. Das ist gut so, denn deutsche Produkte sind gerade aufgrund unserer hohen Standards weltweit führend.

Ich bin sicher, dass TTIP die Handlungsfreiheit der Politik nicht schwächt. Es ist zwar sinnvoll, dass sich die Regulierungsbehörden in den EU und den USA enger austauschen, zum Beispiel beim Umgang mit neuer Technik. Aber die Entscheidungshoheit über das angemessene Schutzniveau für Bürger, Volkswirtschaft und Umwelt liegt weiterhin bei den schon jetzt zuständigen Institutionen.

Ist TTIP notwendig, weil die USA mit Ländern im asiatischen Raum ein ähnliches Abkommen planen, die Transpazifische Partnerschaft (TPP)?

Grillo: Die Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft sind bereits weit fortgeschritten. Sie werden vor TTIP abgeschlossen sein. Auch andere Akteure wie China verhandeln und schließen weltweit Freihandelsabkommen. Es ist essenziell, dass auch die EU die Handelspolitik nutzt, um in der Globalisierung mitzumischen.

Was geschieht, wenn TTIP scheitert?

Grillo: Darüber möchte ich gar nicht spekulieren. Der politische Schaden wäre immens. Das darf nicht passieren. Deshalb plädiere ich für ein ausgewogenes Abkommen. Es muss das wirtschaftliche Potenzial ausschöpfen und zugleich das Schützenswerte schützen. Das kann gelingen. Ich vertraue der EU-Kommission, dass sie mit 500 Millionen Europäern im Rücken unser aller Interessen in den Verhandlungen durchsetzt.

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