Vorstoß von Gesundheitsminister Bahr: Schneller zum Gutachten

Gesundheitsminister Bahr will, dass der Medizinische Dienst binnen fünf Wochen die jeweilige Pflegestufe festsetzt.

Berlin. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr will das oftmals langwierige Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit von Angehörigen durch den Einsatz unabhängiger Gutachter beschleunigen. Im Interview mit unserer Zeitung kündigt der FDP-Politiker zugleich eine Verbesserung der Prävention für Schulkinder an.

Herr Bahr, am 1. Januar startet die private Pflege-Zusatzversicherung, die der Staat pro Fall mit fünf Euro im Monat fördern will. Kritiker sehen darin schon jetzt einen Flop. Wann hätte sich die Maßnahme für Sie gelohnt?

Bahr: Bislang haben nur zwei Prozent der Bevölkerung eine private Pflege-Zusatzversicherung. Jeder zusätzliche Vertrag ist ein Erfolg. Auch die Riester-Rente brauchte eine gewisse Anlaufphase. Wir wissen aber, dass man schon mit kleineren Summen viel bei der Pflege-Vorsorge erreichen kann. Mit zehn bis 15 Euro Eigenbeitrag im Monat lässt sich bei längerer Vertragslaufzeit die Lücke zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung und den tatsächlichen Kosten etwa für einen Heimplatz durchaus verringern.

Bis 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen um rund eine Million auf dann 3,4 Millionen steigen. Müsste dafür nicht auch der Pflegebeitrag deutlich steigen?

Bahr: Das ist die Folge des Umlagesystems: Von den laufenden Einnahmen werden die Ausgaben gedeckt. Wenn weniger junge Beitragszahler nachkommen und mehr Ältere Leistungen beziehen, wird natürlich der Beitrag in den nächsten Jahrzehnten nicht konstant bleiben.

Experten rechnen vor, dass schon heute 30 000 Pflegekräfte fehlen. Demnach ist der Pflege-Notstand doch längst Realität.

Bahr: Ich bin zufrieden, dass wir endlich zu einer Einigung gekommen sind und das dritte Ausbildungsjahr für Pflegefachkräfte von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt wird. Die ungeklärte Finanzierung war bislang ein Hindernis für viele Pflegehelfer, sich entsprechend zu qualifizieren. Wahr ist allerdings auch, dass es tatsächlich zum Pflege-Notstand käme, wenn sich die EU in Brüssel mit ihrer absurden Forderung durchsetzen würde, dass quasi nur noch Abiturienten einen Pflegeberuf erlernen dürfen. Ich werde nicht locker lassen, das noch zu verhindern.

Nach der neuen Pflegeform soll künftig nicht mehr nur der Medizinische Dienst der Kassen den Grad der Pflegebedürftigkeit eines Betroffenen festlegen, sondern auch unabhängige Gutachter. Was versprechen Sie sich davon?

Bahr: Ich habe in meiner Familie selbst erlebt, dass der Medizinische Dienst mitunter viel zu lange braucht, um eine Pflegeeinstufung vorzunehmen. Außerdem hören wir immer wieder Klagen, was Umgang mit den Angehörigen und Service angeht. Wir verpflichten nun den Medizinischen Dienst auf Servicegrundsätze und Empfehlungen. Deshalb wird er im kommenden Jahr verpflichtet, innerhalb von fünf Wochen über eine Pflegeeinstufung zu entscheiden.

Und wenn das nicht geschieht?

Bahr: Geschieht das nicht, können auch andere Gutachter herangezogen werden, die zum Beispiel schon für die privaten Versicherungen im Einsatz sind. Damit wird die Monopolstellung des Medizinischen Dienstes der gesetzlichen Kassen aufgebrochen. Künftig haben die Angehörigen klare Rechte und sind keine Bittsteller mehr. Der Medizinische Dienst entscheidet über Leistungen, aber er muss auch Dienstleister sein.

Ihre kürzlich beschlossene Präventionsstrategie ist von der Opposition zerrissen worden. Was halten Sie dem entgegen?

Bahr: Ich nenne ein paar Neuerungen: Wir erhöhen die Gelder für Präventionsmaßnahmen, wir verpflichten die Kassen auf stärkere betriebliche Gesundheitsförderung und wir werden eine Lücke in der Vorsorge bei Kindern im Grundschulalter schließen.

Was heißt das konkret?

Bahr: Gerade Kinder im Alter von sechs bis zehn müssen früh erreicht werden, hier gibt es bislang keine U-Untersuchung. Künftig wird es hier eine zusätzliche Untersuchung geben. Was im Kindesalter nicht frühzeitig erkannt wird, lässt sich oft nicht mehr beheben. Das können zum Beispiel Fehlentwicklungen beim Gehör oder bei der Ernährung sein. Die Details muss der Gemeinsame Bundesausschuss von Kassen und Ärzten festlegen.

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