Betriebsbedingte Kündigung schützt die Schwachen

Berlin (dpa/tmn) - Entlassungen bei Lufthansa und Neckermann: Wenn ein Unternehmen Stellen abbauen muss, trifft es eine sogenannte Sozialauswahl. Vier Kriterien entscheiden über Bleiben oder Gehen.

Bei betriebsbedingten Kündigungen muss ein Unternehmen möglichst sozial gerecht vorgehen. Diese sogenannte Sozialauswahl sei eine Voraussetzung dafür, dass es überhaupt Kündigungen aussprechen dürfe, erklärt Nathalie Oberthür, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins. „Wenn also Arbeitsplätze wegfallen, muss innerhalb eines Kreises vergleichbarer Arbeitnehmer geschaut werden: Welche Mitarbeiter sind sozial am schutzwürdigsten?“

Immer wieder machen große Unternehmen mit Massenentlassungen Schlagzeilen. Zuletzt kündigten Neckermann und Lufthansa Entlassungen von 1380 und von 3500 Stellen an. Mitarbeiter, in deren Arbeitsbereich Stellen eingespart werden sollen, werden in vier Kategorien mit einander verglichen: Alter, Anzahl der Jahre im Unternehmen, Unterhaltspflichten gegenüber Kindern, Ehegatten oder Eltern sowie Schwerbehinderung. „Danach entscheidet sich dann, wen es tatsächlich trifft“, sagt Oberthür.

Ein Sonderfall sei die Schwerbehinderung. Denn um überhaupt einem schwerbehinderten Mitarbeiter kündigen zu dürfen, müsse das Integrationsamt zustimmen. Sonst fielen Schwerbehinderte von vornherein aus der Sozialauswahl heraus, erklärt die Juristin.

Die vier Kriterien würden außerdem unterschiedlich gewichtet. Eine allgemeingültige Richtlinie dafür gebe es aber nicht. „Wenn Sie jemanden haben, der zwei Jahre älter ist, dafür ist der andere zwei Jahre länger beschäftigt, dann ist das schwierig, dann müssen Sie eine Gesamtbewertung treffen“, so Oberthür. „Da hat der Arbeitgeber einen gewissen Spielraum.“

Wer rausfliegt, obwohl er sich selbst als schutzwürdig einstuft, könne eine Kündigungsschutzklage einreichen. Allerdings liege dann die sogenannte Darlegungs- und Beweispflicht beim Arbeitnehmer. Er muss laut Oberthür darstellen, welche vergleichbaren Mitarbeiter es gibt und welche Sozialdaten sie haben. Weil er das aber in der Regel nicht ohne Weiteres kann, sei der Arbeitgeber in diesem Punkt verpflichtet, ihm Auskunft zu geben.

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