Der dualen Ausbildung geht der Nachwuchs aus

Wiesbaden (dpa) - Die klassische Lehre in Betrieb und Berufsschule kommt langsam aber sicher aus der Mode. Dabei lohnt sich für Schulabgänger auch der Blick auf Berufe abseits der Hitlisten.

Der dualen Ausbildung geht der Nachwuchs aus
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Auf den ersten Blick scheint sich wenig geändert zu haben auf dem deutschen Ausbildungsmarkt: Die immer gleichen Berufe wie Einzelhandelskauffrau und Kfz-Mechatroniker dominieren auch 2013 die Statistik der neuen Lehrverträge. Doch hinter den Zahlen steckt nach Meinung von Experten eine deutlich erkennbare Krise der dualen Ausbildung.

Denn obwohl es zum Ende des dritten Quartals 2014 bundesweit immer noch 20 900 unversorgte Lehrstellensuchende gab, ist die Zahl der unbesetzten Lehrstellen das fünfte Jahr in Folge auf nunmehr 37 100 gestiegen, wie die Bundesagentur für Arbeit gerade berichtet hat. Das siebte Jahr in Folge gibt es einen Stellenüberhang. Nach Angaben der Kammern klagt bundesweit nur noch jeder dritte Betrieb nicht über Schwierigkeiten bei der Besetzung der Ausbildungsstellen.

Der weltweit gepriesenen deutschen Kombination aus Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule geht langsam, aber sicher der Nachwuchs aus. Im Jahr 1999 gab es noch rund 100 000 neuabgeschlossene Ausbildungsverträge mehr als im vergangenen Jahr, als nur noch knapp 526 000 junge Leute einen Kontrakt unterschrieben.

Lücken entstehen nicht bei den Großbetrieben, sondern insbesondere in Hotellerie und Gastronomie. Auch angehende Klempner, Gebäudereiniger, Metzger und Bäcker sind nur noch schwer zu finden, berichtet Andreas Pieper vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Die Vorstellungen der Jugendlichen und das Lehrstellenangebot klafften immer weiter auseinander. Hoch im Kurs stünden Berufe in den Medien oder als Tierpfleger, auch kaufmännische Ausbildungen sind populär.

Ein guter Teil der Probleme sei hausgemacht, kritisieren die Gewerkschaften. „Es ist nicht zu übersehen, dass die unbesetzten Stellen überwiegend in Branchen liegen, in denen die Ausbildungsbedingungen hart beziehungsweise schlichtweg unzumutbar sind“, sagt Hessens DGB-Chefin Gabriele Kailing. Die Unternehmen müssten die Ausbildungsqualität verbessern und gesetzliche Mindeststandards einhalten, also selbst „ausbildungsreif“ werden.

Neben der allgemeinen demografischen Entwicklung ist es der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen, der das eigentliche Lehrlingsklientel der Schüler mit Haupt- oder Realschulabschluss schrumpfen lässt. Ihre Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als ein Fünftel gesunken. Gleichzeitig kletterten die Zahlen für Abiturienten. „Die haben immer die Möglichkeit ein Studium zu beginnen, wenn sie keine für sie interessante Ausbildung finden“, sagt Pieper. Die Nachwuchsprobleme der Bäcker oder Klempner werden so nicht gelöst.

Die Vielfalt der Ausbildungsberufe ist nahezu unüberschaubar. Neben den rund 330 vom BIBB erfassten dualen Ausbildungen in Handwerk, Industrie und Handel gibt es zudem noch dutzende Berufsbilder im Gesundheits- und Pflegebereich sowie bei den Freiberuflern. Der technologische Wandel führt zudem regelmäßig dazu, dass die Beschreibung der Ausbildungsberufe modernisiert werden muss.

Die Jugendlichen hätten oft ganz falsche Vorstellungen über die Berufe, sagt BIBB-Sprecher Pieper. „Ein Bäcker muss zwar immer noch früh aufstehen, aber keine Mehlsäcke mehr schleppen.“ Dass Schornsteinfeger wie Zerspanungstechniker inzwischen vor allem am Computer arbeiten sei bei den Jugendlichen ebenso wenig bekannt wie die guten Perspektiven nach der Erstausbildung.

„Nach nahezu jeder betrieblichen Ausbildung ist eine Aufstiegsfortbildung zum Fachwirt oder Meister möglich“, sagt die Bildungsexpertin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Esther Hartwich. Die Verdienstmöglichkeiten stünden denen in vielen akademischen Berufen um nichts nach.

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