Der Pate - Wenn Studenten Hauptschüler betreuen

Tübingen (dpa/tmn) - Zwei Jahre lang jede Woche ein Treffen: So kann das aussehen, wenn Studenten eine Patenschaft für einen Hauptschüler übernehmen. Geht die Kooperation auf, lernt einer viel vom anderen.

Im besten Fall entstehen Freundschaften fürs Leben.

Für Mohammed ist Pablo so etwas wie ein großer Bruder. „Einen Älteren als Vorbild zu haben, ist gar nicht schlecht“, erzählt der 14-Jährige. „Wir haben Spaß zusammen. Und wenn ich Probleme habe, dann kann er mir helfen.“ Der Achtklässler und der 21-jährige Student aus Tübingen sind ein Coaching-Paar bei Rock your life - einer Initiative, die bundesweit Schüler und Studenten zusammenbringt. Vor allem Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien sollen mit dem Coach an ihrer Seite den Weg durch die Pubertät und den Sprung ins Berufsleben schaffen. Und die Studenten sammeln schon im Studium eine Menge soziale Kompetenzen.

Zwei Jahre lang wird Pablo Streich als Coach für Mohammed Dampha da sein. Alle ein bis zwei Wochen treffen sich die beiden einen Nachmittag lang. „Es geht nicht nur darum, dass Mohammed seinen Schulabschluss schafft, es geht auch um die kleinen Alltagsprobleme“, sagt der Geoökologie-Student.

Was in den Coaching-Beziehungen passiere, sei ganz individuell, sagt Rock-your-life-Mitbegründer und Geschäftsführer Stefan Schabernak. „Jeder hat ein bisschen was anderes davon. Eine Coaching-Beziehung lässt sich nicht in ein Raster zwängen.“

Schabernak und seine Mitstreiter waren selbst noch Studenten in Friedrichshafen am Bodensee, als sie die Idee entwickelten und 2009 zum ersten Mal den Kontakt zu Schülern suchten. Vor allem Hauptschüler in den letzten beiden Jahren vor ihrem Abschluss nahmen sie in den Fokus.

Die Idee von Rock your life wuchs rasant. Mittlerweile gibt es das Konzept an 25 Standorten bundesweit. Weitere Zweigstellen werden gerade aufgebaut. Das funktioniert nur, weil jeweils Studenten vor Ort die Verantwortung für ihren Standort übernehmen.

Die Dach-Gesellschaft am Bodensee sorgt vor allem dafür, dass die Studenten auf ihre Aufgabe als Coach vorbereitet werden. „Bevor man überhaupt mit dem Schüler arbeitet, muss man zwei Wochenenden lang ein Grundlagenseminar belegen“, erklärt Schabernak. „Die Studenten müssen schließlich auf möglichst viel vorbereitet sein. Manchmal geht es um Probleme in der Schule, manchmal um Probleme in der Familie, manchmal weiß der Schüler mit seiner Freizeit nichts anzufangen, und manchmal ist man auch mit Kriminalität konfrontiert.“

Mohammed und Pablo sind zu Beginn ihrer Coaching-Beziehung im Moment dabei, die Ziele für die nächsten zwei Jahre abzustecken. Der 14-Jährige hat mal ein Praktikum in einem Filmstudio gemacht und war davon ziemlich begeistert. Aber auch einen kaufmännischen Beruf kann er sich vorstellen. „Erwachsene machen immer so viele Vorschläge. Aber viel davon interessiert mich gar nicht“, sagt Mohammed.

Initiativen, bei denen Studenten ehrenamtlich für Schüler da sind, haben seit Jahren starken Zulauf. Going forward oder Chancenwerk sind einige Beispiele. „Das ist ein fantastisches Instrument, bei dem sich Studenten weit über ihr Fach hinaus bilden können“, sagt Susanne Wilpers, Professorin für Personalmanagement an der Hochschule Heilbronn. „Da geht es um Lebenserfahrung, Sozialkompetenz und Konfliktlösungsstrategien.“

Für die Schüler wiederum sei es eine tolle Erfahrung, einen Ansprechpartner zu haben, der nicht viel älter ist als sie selbst, sagt die Professorin. Mit so einem Coach könnten sie besser auch mal über die Lehrer schimpfen als das mit den Eltern möglich ist. Und trotzdem hätten sie einen Ansprechpartner, der viele Jugendprobleme mit ein wenig Abstand besser einschätzen könne.

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