Deutschlands Lehrer: „Faule Säcke“ oder Burnout-Opfer?

Berlin (dpa) - Die Bildungsministerin brach vor den Warnstreiks eine Lanze für die Lehrer: Denen werde „oft unrecht getan“, sagte Johanna Wanka. „Sie leisten außerordentlich viel. Wir sollten Lehrern eine höhere Wertschätzung entgegenbringen.“ Das hörte sich ganz anders an als der berühmte Ausspruch des damaligen SPD-Ministerpräsidenten Gerhard Schröder über Lehrer im Gespräch mit einer Schülerzeitung 1995: „Ihr wisst doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“ Die Polemik schadete Schröder nicht - drei Jahre später war er Kanzler.

Deutschlands Lehrer: „Faule Säcke“ oder Burnout-Opfer?
Foto: dpa

Was sagen Statistiken über die finanzielle Lage deutscher Lehrer?

Beim Vergleich der Vollzeitbeschäftigten mit Hochschulabschluss stellte das Portal Statista im vorigen Herbst fest, dass Pädagogen in Deutschland durchschnittlich kaum weniger verdienen als andere Akademiker. Nach den OECD-Vergleichszahlen von 2012 liegt Deutschland etwas über dem Schnitt (97 Prozent). Jedoch verdienen Lehrer in Südkorea (136 Prozent), aber auch im krisengebeutelten Spanien (132 Prozent) viel mehr als andere Menschen mit Hochschulabschluss, während etwa in Norwegen (71 Prozent), Italien (65 Prozent) oder Österreich (60 Prozent) Lehrergehälter erheblich unter dem Akademiker-Durchschnitt liegen.

Gibt es Verdienst-Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten?

Ja, und zwar deutliche. Die Bundesländer legen uneinheitlich fest,
unter welchen Bedingungen Lehrer Beamte werden - mit Privilegien und
besserer Bezahlung. Laut Bildungsgewerkschaft GEW gibt es bundesweit
gut 1000 verschiedene Kriterien für Gehaltsgruppen oder -stufen.
Zudem zahlen angestellte Lehrer stetig steigende Beiträge in die
Sozialversicherungen ein - was nach GEW-Angaben beim Bruttogehalt nur
unzureichend kompensiert wird. Beamtete Pädagogen bekommen am Ende
auch Gehaltserhöhungen der Angestellten eins zu eins aufs Konto.

Wie wirkt sich das konkret in Euro und Cent aus?

Im Ergebnis verdient ein angestellter Lehrer in Nordrhein-Westfalen
monatlich netto bis zu 590 Euro weniger als der Beamten-Kollege,
heißt es von der GEW. „Das ist natürlich eine Gerechtigkeitslücke -
deutlich weniger Geld für dieselbe Arbeit“, sagt auch Heinz-Peter
Meidinger, der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Bei der
Altersvorsorge geht es ebenfalls ungleich zu. Dabei würde sich die
durchgängige Verbeamtung von Lehrern auch für den Staat finanziell
rechnen, sagt Gitta Franke-Zöllmer vom Verband Bildung und Erziehung.

Wie sieht es mit der Arbeitszeit von Lehrern aus?

Das Klischee hält sich hartnäckig: Lehrer haben lange Ferien und früh
Feierabend. Laut Allensbach-Umfrage (2013) waren 71 Prozent der
Ansicht, dass Lehrer viel Urlaub haben; jeder zweite Befragte meinte,
dass die Pädagogen kaum Überstunden machen. Experten halten dagegen,
dass die „echte“ Arbeitszeit weit über den Pflichtstunden (zwischen
23,5 und 27,5 an Gymnasien) liegt. So schätzte die Bildungsforscherin
Mareike Kunter, „dass Aufgaben wie das Vorbereiten von Schulstunden,
Korrigieren von Klassenarbeiten, Elterngespräche, AGs und Verwaltung
mehr als 40 Prozent der Arbeitszeit ausmachen“. Meidinger nennt eine
Studie, wonach Normal-Lehrer 43 bis 44 Wochenstunden leisten.

Wie groß ist die Burnout-Gefahr bei Lehrern?

Offenbar ziemlich groß. Laut Studie „Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal“ des Aktionsrates Bildung mit Zahlen von 2011 gab von den rund 2,1 Millionen Menschen in deutschen Bildungseinrichtungen ein Drittel an, unter zu hohen Belastungen zu leiden. Viele Beschäftigte im Bildungswesen leiden dem Gutachten zufolge unter chronischem Stress und psychischen Beeinträchtigungen. Mangelndes Prestige des Lehrerberufs und Mobbing seien Gründe für den Anstieg psychischer Erkrankungen im Bildungswesen. Und unter Burnout litten am Ende nicht nur die betroffenen Lehrer - ausgebrannte Pädagogen machten auch weniger guten Unterricht, hieß es.

Hat sich das Lehrer-Image seit der Schröder-Schelte verändert?

Ja, zum Glück, so der Philologenverband. Die Allensbach-Umfrage habe
nämlich auch ergeben, dass „die positiven Zuschreibungen zum
Lehrerberuf deutlich in der Mehrzahl sind“, sagt Meidinger. Demnach
setzen sich die Pädagogen sehr für ihre Schüler ein und machen einen
anstrengenden Job. „Das Klischee vom Halbtagsjob verblasst.“

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