Jobsuche nach dem Studium: „150 Bewerbungen in 7 Monaten“

Hannover/Kiel (dpa) - Der Abschluss ist geschafft, das Studium vorbei und das Berufsleben wartet. Nur leider wartet es nicht auf jeden. Das musste auch die Geisteswissenschaftlerin Beke Sinjen erfahren.

Jobsuche nach dem Studium: „150 Bewerbungen in 7 Monaten“
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Studien zeigen: Der Berufseinstieg funktioniert nicht immer nach Plan.

150 Bewerbungen in sieben Monaten. Das ist die Erfahrung, die Beke Sinjen nach ihrem Magisterstudium machte. Die heute 30-Jährige hat einen Abschluss der Uni Kiel in Literatur- und Medienwissenschaft mit Spanisch und Kunstgeschichte im Nebenfach. „Mir war natürlich klar, dass es schwierig wird, in diesem Bereich einen Job zu finden“, sagt Sinjen. Aber sie wählte ihre Fächer nach Interesse, nicht nach Kalkül. Dieser Weg ist der richtige, sagen Jens Krüger und Ulrich Gnida, Berater für akademische Berufe an der Arbeitsagentur Hannover.

In ganz Deutschland hatte 2012 schon jeder fünfte einen akademischen Abschluss. Bei dieser Konkurrenz sind gute Noten und Begeisterung für das Fachgebiet umso wichtiger. „Es ist besser, Historiker mit einer Eins oder Zwei als Note zu sein als ein schlechtes BWL-Studium zu machen“, sagt Krüger. Trotzdem solle man sich mit einem solchen Fach frühzeitig praktische Erfahrung aneignen und nicht zu blauäugig an die Sache herangehen.

Beke Sinjen hatte gute Noten und war gut vorbereitet. „Ich dachte, wenn ich Erfahrung durch Praktika und Nebenjobs sammele, würde das reichen“, sagt sie. Es reichte nicht. Vielleicht war die schlechte Wirtschaftslage in ihrem Abschlussjahr 2009 Schuld, spekuliert Sinjen, oder die große Konkurrenz in dem Bereich, in dem sie suchte: Kulturarbeit, Projektmanagement, Marketing und PR. Sie meldete sich frühzeitig bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend, beantragte aber kein Arbeitslosengeld, weil sie es allein schaffen wollte. „Außerdem dachte ich ja die ganze Zeit, dass meine Durststrecke bald endet“, so Sinjen. Nachdem sie in sieben Monaten ungefähr 150 Bewerbungen für Stellen in ganz Deutschland geschrieben hatte, gab sie die Suche auf und ging zurück an die Uni, um ihre Doktorarbeit zu schreiben.

Hatte Sinjen einfach Pech? Theoretisch haben Akademiker in Deutschland nämlich gute Jobchancen: Laut Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lag die Arbeitslosenquote 2013 im bundesweiten Schnitt bei nur 2,5 Prozent. Man müsse jedoch bedenken, dass sich viele gar nicht arbeitslos melden würden, sagen die Berater der Arbeitsagentur Hannover. Unter allen Arbeitslosen haben in Norddeutschland aktuell 5 bis 6 Prozent einen akademischen Abschluss. Doch die Quote erfasst nicht die großen Unterschiede zwischen einzelnen Studienfächern - so lag die Arbeitslosigkeit 2012 bei Medizinern in ganz Deutschland unter 1 Prozent, bei Absolventen im Bereich Marketing/Werbung dagegen über 5 Prozent.

Studien des Hochschul-Informations-Systems (HIS) mit Sitz in Hannover zeigen, dass Beke Sinjens Probleme bei der Jobsuche typisch für Geisteswissenschaftler sind. Sie brauchen im Schnitt länger für den Berufseinstieg und üben auch zehn Jahre nach dem Abschluss am seltensten eine adäquate Tätigkeit aus - also eine, die sowohl der Qualifikation als Akademiker als auch der Fachrichtung entspricht.

Die Berater von der Arbeitsagentur Hannover raten Absolventen deshalb zu Flexibilität - und dazu, nicht allzu wählerisch zu sein. Auch könne man nicht immer erwarten, sofort in einer gehobenen Position eingestellt zu werden. Stellen, die früher mit Auszubildenden besetzt wurden, werden nun an Akademiker vergeben.

Beke Sinjen hat vor kurzem eine Stelle gefunden, die ihren Vorstellungen entspricht - im Projektmanagement. Die Ungewissheit ist vorbei, fünf Jahre nach ihrem Magisterabschluss.

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