Mit dem Skateboard zum Hochschul-Abschluss

Münster (dpa) - „Skateboard-Papst“ Titus Dittmann hat das Rollbrett an die Uni gebracht. Als einer der ersten Skate-Dozenten lehrt er Sprünge, Kicks und Flips auf dem Board. Angehende Sportlehrer sollen das Wissen bald an ihre Schüler weitergeben.

Michael Bölt feilt an einem neuen Trick. Mit seinem Skateboard will er auf ein Hindernis springen und auf den Achsen über die Kante rutschen. So ganz will der „Grind an der Box“ noch nicht klappen. Doch wenn der Trick bis zur Prüfung sitzt, bekommt Bölt drei Leistungspunkte für sein Lehramtsstudium. Der Bielefelder ist kein typischer Skater: Statt Jeans, Kapuzenpulli und zerschlissenen Sneakers trägt er Laufschuhe, Polyesterhose und Trainingsjacke. Er ist einer von 26 Sportstudenten, die Skaten als Seminar an der Universität Münster belegen - laut der Hochschule deutschlandweit das erste Angebot seiner Art.

Leiter des Seminars ist Deutschlands Skateboard-Pionier Eberhard „Titus“ Dittmann. Der 62-Jährige gilt als Mitbegründer der Szene. Aus einem Münsteraner Keller heraus schuf er den ersten Skateboard-Fachhandel in Europa. Seine Karriere als Lehrer gab er auf und gründete 1993 den Jugend-Treff „Skater's Palace“, eine Skateboard- und Veranstaltungshalle im Gewerbegebiet Münsters.

Nun hat ihn der Lehrerberuf doch zurück. Der Münsteraner steht vor seinen Studenten, die sich in der Halle schon „eingerollt“ haben. Er spricht über die Eroberung urbaner Räume und warum junge Menschen bis heute den Sport dominieren. „Kein Erwachsener ist bereit, acht Stunden am Tag mit einem Skateboard eine Treppe runter zu fallen.“ Praktische Übungen und Theorie sollen sich im Seminar die Waage halten. Die Kursteilnehmer halten Referate, diskutieren in der Gruppe und schreiben Hausarbeiten über Sozialisation im Jugendalter. Im Kurs fachsimpeln sie über Switch, Fakie und Kick-Turns in der Quarter.

„Skateboarden ist die größte, bedeutendste Jugendkultur, die aus dem Sportbereich hervorgegangen ist. Deshalb hat die Wissenschaft auch eine Verpflichtung, sich damit zu beschäftigen“, erklärt Dittmann sein Engagement an der Uni. Es gebe bergeweise Fachliteratur über das Skaten, das wie jede Sportart einen pädagogischen Wert habe. Durch die populäre Materie erhoffen sich die Lehrer von morgen auch einen besseren Zugang zu ihren Schülern am Gymnasium oder der Gesamtschule. „Trendsportarten spielen in der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen eine extreme Rolle“, sagt Gerrit Laeube, der das Seminar als studentischer Mitarbeiter unterstützt.

Auch an der Universität Kiel steht Skateboarding mittlerweile im Vorlesungsverzeichnis. „Rollen und Gleiten“ heißt der Kurs, in dem sich Sportstudenten auf Skateboards oder Inlineskates prüfen lassen. Dittmann will langfristig mit einer Hochschule im westafghanischen Herat zusammenarbeiten. Dort sieht er die Rollbretter als Vehikel der Völkerverständigung. „Skateboard statt Kalaschnikow“ lautet seine Parole für afghanische Jungen und Mädchen auf den Boards.

Die Kursteilnehmer schätzen die Kreativität des Sports. „Beim Skateboardfahren gibt es keine Regeln“, sagt Malte Lüdemann. Dann saust er mit seinem Brett eine Rampe herunter und balanciert auf der Hinterachse. Der 23-Jährige gilt als Klassenprimus. Michael Bölt feilt derzeit weiter an seinem Trick. Der 24-Jährige hat sich fest vorgenommen, seine Schüler eines Tages das Skaten zu lehren. „Wenn alles klappt, schickt mich Titus bald als Skate-Lehrer nach Afrika.“

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