Schluss mit Selbstkritik: Was gegen Selbstzweifel hilft

Hamburg/München (dpa/tmn) - Geht nicht, schaff' ich nicht, klappt sowieso nicht - der innere Kritiker hält uns von so mancher Veränderung ab. Mitunter nimmt er uns sogar jeglichen Mut. Warum eigentlich?

Und wie kommt man diesem ständigen Nörgler am besten bei?

Sie ist ein Miesepeter, Bedenkenträger, Besserwisser und ewiger Kritiker. Bei manchen regt sie sich nur ab und zu, andere begleitete sie mit diktatorischer Hartnäckigkeit: Die innere Stimme - nicht zu verwechseln mit dem Bauchgefühl oder der meist ganz gesunden Selbstkritik. Denn der innere Nörgler ist undifferenziert, entmutigend und vor allem mäkelig - und er ist leider auch ein Teil von uns. Der macht uns insbesondere in der Arbeitswelt das Leben schwer. Doch mit ein bisschen Anstrengung lässt sich ganz gut damit leben.

„Dieser innere Kritiker gehört zu unserer Persönlichkeit, hat die Psyche eines kleinen Kindes, das große Ängste hat und schon sehr früh in unserem Leben entstanden ist“, sagt der Hamburger Psychologe und Coach Tom Diesbrock. Diese Stimme ist nicht konstruktiv, sondern scheut das Risiko. Sie sieht uns immer im schlechtesten Licht. Und sie achtet in erster Linie auf die anderen, was sie sagen, meinen und denken könnten. „Diese Instanz ist durch Erfahrung und Sozialisierung entstanden“, erklärt Diesbrock. Bei dem einen stärker als bei dem anderen.

Typische Sätze des Nörglers sind: „Das schaffst Du nicht. Das kannst Du nicht. Das macht man nicht.“ Und wenn etwas schief geht: „Das hab' ich Dir doch gleich gesagt.“ „Natürlich kann an diesen Zweifeln etwas dran sein“, gibt die Hamburger Psychologin und Karriereberaterin Svenja Hofert zu bedenken. Doch reiche es nicht, blind auf diese Stimme zu hören. Vielmehr müsse man sich überlegen, was tatsächlich dran ist an der Kritik und an den Bedenken. „Dann kann so ein innerer Kritiker sogar als Korrektiv agieren“, sagt sie. Vorausgesetzt, die innere Stimme gewinnt nicht die Überhand.

Um zu lernen, mit diesem Teil von uns auszukommen, hat Tom Diesbrock ihm einen Namen gegeben: Hermann. „Damit gibt man der Stimme ein Gesicht und kann sie als Sparringpartner sehen. Wichtig ist dabei, dass wir das Zepter in der Hand halten - und nicht Hermann“, erklärt er. Ernst muss man seinen Hermann dennoch nehmen. Denn er ist nicht zu unterschätzen.

„Man kann ihn als ernsthaften Gesprächspartner betrachten, dessen Meinung man hinterfragt“, rät Hofert. Dazu sei es eben hilfreich, dieser Stimme einen Namen zu geben und sich vorzustellen, er sitze auf einem Stuhl neben einem. „Dann legt man erstmal seine Sicht dar, dann setzt man sich auf den anderen Stuhl und äußert die Meinung des inneren Kritikers.“

Die Münchner Karriereberaterin Britta Schäfer rät zur klassischen Pro-und-Kontra-Liste: „Wer sich seiner eigenen Stärken besinnt und diese auch aufschreibt, ist meistens erstaunt, wie viele er davon hat“, sagt sie. Das sei vor allem vor Bewerbungsgesprächen oder sonstigen offiziellen Terminen sehr hilfreich.

Psychologe Diesbrock nennt es das „Hermann-Tagebuch“. „Darin schreibt man dann mal ganz detailliert auf, was Hermann eigentlich sagt und kritisiert“, sagt er. Das tue im Zweifel auch mal weh. Es schule aber die eigene Wahrnehmung ungemein. „Das ist dann wie Detektivspielen, um herauszufinden, was man wirklich über sich selbst glaubt“, führt Diesbrock aus.

Hofert hält es auch für legitim, mit seinen Schwächen zu spielen, oder gar zu kokettieren. „Wenn die Nervosität und damit möglicherweise auch die eigene Unsicherheit während eines Bewerbungsgesprächs nicht zu übersehen sind, kann man genau das durchaus thematisieren“, sagt sie. Alles andere wirke unglaubwürdig und sei auf Dauer nicht durchzuhalten.

Auch Britta Schäfer rät, die innere Stimme zu akzeptieren. Gleichzeitig dürfe sie aber auch nicht zu stark werden. „Walt Disney hat schon gesagt, dass für jedes Projekt ein Träumer oder Visionär beteiligt sein muss, ein Realisierer und ein Kritiker. Nur so kann es gelingen“, erklärt sie. So funktioniere auch die eigene Persönlichkeit, in unterschiedlichen Ausführungen.

Es hilft also alles nichts, so ganz wird man diesen ewigen Nörgler wohl nie los. „Er ist und bleibt ein Teil von mir. Mein bester Freund wird er deswegen noch lange nicht“, sagt Diesbrock. Man solle aber grundsätzlich gut mit ihm umgehen, eben weil er mental wie ein kleines Kind ist. „Im Grunde will diese innere Stimme einfach nur ungestörte Geborgenheit ohne jede Veränderung und ohne jedes Risiko.“ Da muss man ihm im Zweifel schonend beibringen, dass es eben doch Zeit ist für das ein oder andere Wagnis.

Literatur:

Diesbrock, Tom: „Hermann! Vom klugen Umgang mit dem inneren Kritiker“, 2011, Patmos Verlag, Ostfildern, 109 Seiten, 12,90 Euro, ISBN-13: 978-3-8436-0035-4

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