Wenn 17-Jährige an die Uni gehen

Wiesbaden (dpa) - Noch nie waren in Deutschland so viele Studenten minderjährig. Die Hochschulen sehen das entspannt. Die meisten würden ohnehin im ersten Semester volljährig. Und die gefürchteten „Helikoptereltern“ seien die Ausnahme.

Wenn 17-Jährige an die Uni gehen
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Die Mutter begleitet ihren Sohn zur Studienberatung in die Universität. „Wir wollen BWL studieren“, eröffnet sie das Gespräch. Von solchen Szenen berichten Studienberater. Immer mehr Studenten bringen laut Fachleuten ihre Eltern mit in die Hochschule. Dies gilt zum einen für die stetig wachsende Zahl Minderjähriger an den Unis, aber etwa auch für 20-Jährige. Sogenannte „Helikoptereltern“, die beim Prüfungsamt nach den Noten ihrer Sprösslinge fragen, sind dabei allerdings Ausnahmen. „Die meisten Studierenden grenzen sich relativ schnell ab“, sagt der Sprecher der Kölner Uni, Patrick Honecker.

Wie viele Studenten sind unter 18?

Trotz der Rekordzahl von 2884 minderjährigen Studenten im Wintersemester 2013/14 - ihr Anteil an allen Studierenden liegt nur bei 0,1 Prozent. Berlin hat laut Hochschulrektorenkonferenz als einziges Bundesland eine sogenannte Vorabquote für Minderjährige eingeführt: Danach sollen in einem Auswahlverfahren wenigstens ein Zwanzigstel und höchstens drei Zehntel der Studienplätze an minderjährige Bewerber gehen, die im Einzugsgebiet der Hochschule wohnen.

Wie ist die rechtliche Situation minderjähriger Studierender?

Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben ihre Landeshochschulgesetze so geändert, dass Unter-18-Jährige in allen Belangen des Studiums voll rechtsfähig sind. In den anderen Bundesländern gehen die Hochschulen nach Darstellung der Hochschulrektorenkonferenz einen anderen Weg: Sie holen zu Beginn des Studiums eine Generaleinwilligung der Eltern von Minderjährigen ein. Danach dürfen die Studierenden alle Handlungen im Zusammenhang mit dem Studium selbst vornehmen.

Können minderjährige Studenten ein Zimmer mieten?

Eltern minderjähriger Studenten müssen den Mietvertrag unterschreiben. Deshalb sind sie auch meist bei der Zimmerbesichtigung etwa im Wohnheim dabei. „Sie kommen aber auch mit, wenn die Kinder schon 20 Jahre alt sind“, sagt Georg Schlanzke vom Deutschen Studentenwerk. Dieser „Gluckentrend“ verstärke sich.

Wie lange dürfen minderjährige Studierende feiern?

Nach dem Jugendschutzgesetz müssen sie öffentliche Veranstaltungen um Mitternacht verlassen. Ausnahme: Eine erziehungsbeauftragte Person begleitet sie.

Sind junge Studenten unselbstständiger?

Studienanfänger seien im Durchschnitt weniger selbstständig als noch vor sechs, sieben Jahren, sagt das Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Information, Beratung und Therapie an Hochschulen (GIBeT), Stefan Hatz. „Das eine Jahr, das ihnen fehlt, ist entwicklungspsychologisch schon ein entscheidendes Jahr.“ Es habe jungen Menschen im geschützten Raum Entwicklungsmöglichkeiten geboten, die bei der Schulzeitverkürzung (G8) wegfielen. Der Leiter der Studienberatung der Frankfurter Uni, Marco Blasczyk, hält junge Studierende nicht für unselbstständiger. „Die Service-Erwartung an die Uni ist einfach höher als früher.“ Mit der Gesamtzahl der Studenten wachse auch deren Vielfältigkeit, betont Patrick Honecker von der Uni Köln.

Begleiten viele Eltern ihre Kinder in die Studienberatung?

„Der Anteil der Eltern, die mit in die Beratung kommen, ist deutlich gestiegen“, sagt Daniel Wilhelm von der Studienberatung der Uni Bielefeld. Vor zehn Jahren sei dies noch die Ausnahme gewesen, inzwischen bringe etwa jeder Zehnte Eltern mit. Viele Eltern seien nur als Zuhörer dabei. Andere informierten sich und stellten Fragen. Ein kleiner Teil gehöre zur Kategorie „Helikoptereltern“ und binde das Gespräch an sich. Dominante Eltern fänden sich meist in Beratungsgesprächen der Fächer Medizin, Jura, Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften, heißt es an der Uni Frankfurt. Der Anteil dieser Eltern habe in den vergangenen zehn Jahren aber „nicht auffällig zugenommen“.

Warum kommen an einigen Hochschulen mehr Eltern mit?

Leistungsdruck nennt das Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Information, Beratung und Therapie an Hochschulen (GIBeT), Stefan Hatz, als einen Grund. Die Auffassung „Du musst sehr gut im Studium sein, an der richtigen Uni studieren und darfst Dir keine Verzögerung leisten“, sei inzwischen weit verbreitet. „Da wird es für Eltern umso wichtiger, ihrem Kind als Berater zur Seite zu stehen.“ Viele hätten auch nur ein Kind oder zwei Kinder und selbst studiert. „Da wollen sie mit Rat nicht sparen.“

Wie häufig sind Helikoptereltern?

Der Bielefelder Psychologe Daniel Wilhelm forscht über Helikoptereltern und nennt vier Kriterien, an denen man sie erkennt: Überbehütung, Überinvolvierung, Einschränkung der Autonomie und die Tendenz, anderen die Schuld zu geben wenn etwas schief läuft. Eine Befragung von 2000 seiner Studenten habe ergeben, dass 3 bis 3,5 Prozent solche Eltern hätten. Vergleichszahlen gebe es nicht und die Untersuchung ist schon von 2003. Ob die Zahl der Helikoptereltern mit der Einführung von G8 gewachsen ist? Sicher ist das nicht. Dafür spricht jedoch dieser Befund: „Je älter die Befragten waren, desto weniger traf dieses Verhalten ihrer Eltern zu.“

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