Cap Anamur kämpft gegen Ebola - „Lage der Kinder ist schlimm“

Ebola wütet in Westafrika, und medizinische Helfer aus den Industriestaaten gibt es bislang noch recht wenige. Die Organisation Cap Anamur arbeitet in Sierra Leone. Die Lage ist schlimm, sagt ihr Vorsitzender.

Werner Strahl, Vorstandsvorsitzender von Cap Anamur, untersucht im Kinderkrankenhaus in Sierra Leone einen stark unterernährten Jungen.

Werner Strahl, Vorstandsvorsitzender von Cap Anamur, untersucht im Kinderkrankenhaus in Sierra Leone einen stark unterernährten Jungen.

Foto: Jürgen Escher Cap Anamur

Köln (dpa) - An Ebola sind in Westafrika nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO mehr als 10 000 Menschen erkrankt, fast die Hälfte ist daran gestorben. Obwohl der Westen Hilfe angekündigt hat, ist Cap Anamur eine der bisher wenigen Organisationen, die die Opfer medizinisch versorgen. In Sierra Leones Hauptstadt Freetown betreiben die Helfer ein Kinderkrankenhaus, sie haben gerade eine neue Isolierstation gebaut und betreuen Waisenkinder. Das berichtet Werner Strahl, Vorsitzender von Cap Anamur, im Gespräch mit der dpa.

Frage: Cap Anamur ist seit fünf Jahren in Sierra Leone. Wie sieht die Hilfe nun aktuell in Zeiten der Ebola-Seuche aus?

Werner Stahl: Wir sind mit acht Helfern in Freetown im Einsatz, betreiben wieder unser zwischenzeitlich geschlossenes Kinderkrankenhaus und haben in den letzten drei Wochen Tag und Nacht an einer neuen Isolierstation vor dem Krankenhaus gebaut. Kinder, die zu uns kommen und Symptome zeigen, die auf Ebola hinweisen könnten, bringen wir auf die Isolierstation. Unser Personal haben wir gut trainiert. Ein großes Problem ist, dass es zu wenig Labore in Sierra Leone gibt und wir manchmal zehn Tage auf die Diagnose warten müssen. Wir überlegen, ob wir es selber schaffen könnten, ein Labor aufzubauen.

Frage: Wie ist die Lage vor Ort und wer hilft?

Stahl: In der Metropole Freetown ist Cap Anamur die einzige medizinisch tätige, deutsche Organisation. (...) Die Bereitschaft, von Deutschland aus zu helfen, scheint doch eher noch gering zu sein. Wir haben schon sehr früh vor den Gefahren von Ebola gewarnt, aber es ist lange nichts angelaufen.

Frage: Was können Sie konkret ausrichten?

Stahl: Die Isolierstation bietet Platz für 21 Patienten. Hier muss deren Ebola-Status geklärt werden, bevor dann die Ebola-freien Kinder auf Normalstationen weiterbehandelt werden. Wir versorgen die Patienten dort mit Infusionen und Nahrung, lindern ihre Schmerzen. Die stark verzögerten Laborergebnisse bremsen die Patientenaufnahme deutlich.

Frage: Wie schützen Sie die Mitarbeiter vor Ort?

Stahl: Wir haben uns ausreichend Zeit genommen, alle zu schulen: Das sind nicht nur unsere Cap-Anamur-Leute, sondern auch 150 einheimische Krankenschwestern, die ganz wichtigen Reinigungskräfte, die den hochinfektiösen Abfall entsorgen, und die Leute, die mit den Beerdigungen betraut sind. Wichtig ist natürlich der peinlich genaue Umgang mit den Schutzanzügen. Nach einer Stunde ist man schweißgebadet, will sich alles herunterreißen, was man keinesfalls darf. Wir arbeiten Tag und Nacht in Schichten, achten aber darauf, dass wir niemanden überfordern und stellen immer eine Person dafür ab, die auf die Schutzmaßnahmen achtet.

Frage: Sie waren selbst einige Wochen in Sierra Leone. Wie würden Sie die Lage vor Ort beschreiben?

Stahl: Als sehr ernst. Große soziale Schwierigkeiten werden noch zunehmen. Die Preise für Nahrungsmittel haben sich verdoppelt, der Tourismus ist völlig zusammengebrochen, es wird nicht mehr richtig gearbeitet. Transporte im Land sind schwierig geworden. Ganze Straßenzüge sind unter Quarantäne gestellt.

Frage: Wie geht es den Schwächsten, den Kindern?

Stahl: Die Lage ist wirklich sehr schlimm. Es sind durchgängig alle Altersschichten von Ebola betroffen, also auch die Kinder. Viele Kinder sind zu Waisen geworden, weil sie ihre Eltern durch Ebola verloren haben. Andere haben überlebt, sind dann folglich immun, werden aber aus Angst nicht mehr nach Hause gelassen. Sie sind gebrandmarkt. Cap Anamur betreut seit zwei Jahren ein Kinderhaus. Das nutzen wir jetzt, um diese Kinder unterzubringen. Dann gehen wir zu den Familien und erklären ihnen, dass ihre Kinder nicht mehr infektiös sind und sogar immun gegen Ebola.

Frage: Das Wissen über Ebola ist also immer noch zu gering?

Stahl: Das Wissen reicht nicht aus. Auch wenn die Regierung einiges tut, zum Beispiel appelliert, die Leichen zu verbrennen. In unserem Krankenhaus hatte es auch zwischenzeitlich Panik gegeben, das Klinikpersonal ist weggelaufen. Aber alle sind wieder da und gut geschult. Wir hatten ja auch vorher immer auf Mundschutz, Handschuhe und ständiges Händewaschen bestanden, und zum Glück hat sich niemand angesteckt.

Frage: Das Auswärtige Amt hat einen Förderantrag für Ihre Isolierstation abgelehnt. Warum?

Stahl: Cap Anamur finanziert sich bisher nur über private Spenden, um völlig unabhängig zu bleiben. Jetzt hatten wir erstmalig einen Förderantrag beim Auswärtigen Amt zum Bau der Station gestellt. Er wurde mit der Begründung abgelehnt, wir hätten ja mit dem Bau bereits begonnen. Da waren wir natürlich enttäuscht, denn verlorene Zeit kostet Menschenleben. Wir haben aber erfreuliche Hinweise, dass diese Erkenntnis jetzt auch in den Amtsstuben angekommen ist.

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