Die Rezession erschwert den Schüleraustausch

Hamburg/Bonn (dpa/tmn) - Als Schüler in die große weite Welt wollen viele Jugendliche. Für sie verkörpert diesen Traum vor allem die USA. Doch die Wirtschaftskrise hat Folgen auf den Schüleraustausch.

In diesem Jahr waren Gastfamilien noch schwerer zu finden als bisher.

Für Leon E. stand die Wahl schnell fest: Der 15-Jährige wollte ein Jahr in die USA. Obwohl er sich schon im Januar beworben hatte, wartete er im August noch immer auf Gastfamilie und Visum. Im Juni hatte die deutsche Austauschorganisation ein Schreiben an Leons Mutter weitergeleitet, indem von Schwierigkeiten mit den US-Vorschriften die Rede war und dass die Suche nach einer amerikanischen Familie noch etwas dauern werde. Leons Mutter wurde es ein paar Tage vor dem geplanten Abflug zu bunt: „Wir sind von dem Vertrag zurückgetreten und haben uns anstelle der USA für Neuseeland entschieden.“ Der zehnmonatige Aufenthalt werde allerdings wesentlich teurer ausfallen als in den Staaten.

Die Kosten für einen Aufenthalt sind einer der Gründe, warum viele Familien sich für die USA entscheiden, sagt Thomas Terbeck: „Ein Jahr kostet mit Flug und Versicherung etwa 8000 Euro, während man für Kanada, Australien oder Neuseeland häufig mit 14 000 bis 17 000 Euro rechnen muss.“ Terbeck ist Inhaber des unabhängigen Bildungsberatungsdienstes weltweiser in Bonn. In diesem Jahr habe es allerdings deutliche Platzierungsschwierigkeiten in den USA gegeben.

Dafür gebe es mehrere Gründe: Vor allem spielte neben Vorschriften der amerikanischen Behörden und der hohen Zahl an Austauschschülern auch die Rezession eine Rolle. „Das ist sicherlich ein entscheidender Faktor“, sagt Terbeck. Bei den Organisationen gelte es als Gemeinplatz, dass die wirtschaftliche Lage nicht „förderlich“ sei. Ganz neu sei dieses Problem allerdings nicht.

Den Gastschulen in den USA machten vor allem gestrichene finanzielle Mittel zu schaffen. Dadurch falle es vielen Highschools schwer, zusätzliche Schüler zu betreuen. Schwierigkeiten mit dem Geld können auch Gastfamilien davon abhalten, Ausländer bei sich aufzunehmen. Denn im Unterschied zu Ländern wie Kanada oder Neuseeland bekommen amerikanische Gasteltern in der Regel kein Geld für die Betreuung eines Austauschschülers.

Das Department of State hat zudem neue Auflagen zur Aufnahme von Gastschülern in amerikanischen Familien formuliert. Seit diesem Jahr ist es zum Beispiel verboten, interessierten Familien Fotos der Gastschüler zu zeigen, bevor diese nicht alle erforderlichen Dokumente zusammengetragen haben.

Die Austauschorganisation AFS in Hamburg vermittelt schon seit mehr als 60 Jahren Deutsche in die USA. Schon im vergangenen Jahr war es schwierig, in diesem habe sich die Situation noch einmal verschärft, teilt AFS mit. Auch hier wird die Rezession als einer von mehreren Gründen angeführt. Trotzdem sei es gelungen, 2011 alle Schüler unterzubringen, sagt Referentin Julia Boberski - wenn es auch etwas länger gedauert habe.

Die erschwerten Bedingungen in den USA haben bei den deutschen Austauschorganisationen dazu geführt, dass rund zwei Dutzend Schüler gar nicht gefahren sind. Etwa 100 Jugendliche sind kurz vor Ablauf der Frist noch in ein anderes Land umplatziert worden - und finden sich nun wie zum Beispiel Leon in Wellington statt in Oklahoma. Diese Zahlen hat Thomas Terbeck erhoben - mit einer Umfrage unter den Anbietern. Repräsentativ sind die etwa 40 Einschätzungen zwar nicht. Sie zeigen aber eine Tendenz auf. „Wäre die Deadline für die Platzierung wegen des Hurrikans Irene von den amerikanischen Behören nicht um eine Woche verlängert worden, hätte es wohl noch mehr Jugendliche getroffen“, befürchtet Terbeck.

Die Aussicht auf ein Jahr US-Highschool müssen Jugendliche laut Terbeck dennoch nicht aufgeben. „Die Jugendlichen sollten nur für ihre Planung im Hinterkopf behalten, wie die Lage ist.“ Er rät, sich für das nächste Schuljahr in den USA schon jetzt zu informieren und anzumelden.

Prognosen darüber, wie sich die Lage in den USA entwickeln wird, sind laut AFS und weltweiser nur schwer absehbar. Terbeck geht aber davon aus, dass es auch im nächsten Jahr schwierig bleiben wird.

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