Dreikampf für Spitzenväter: Kinder, Küche und Karriere

Berlin (dpa) - Kochen, Kita und Karriere. Für Jan-Peter Siedentopf ist das alles ganz normal. Wenn er seine Söhne Kasimir und Gustav in die Kita gebracht hat, geht es gleich weiter mit dem Baby-Programm.

Dreikampf für Spitzenväter: Kinder, Küche und Karriere
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Siedentopf steht dann im Kreißsaal, er ist Geburtsmediziner an der Berliner Charité. Später holt der Oberarzt die eigenen Kinder wieder ab und kocht zu Hause schon mal etwas, bis seine Frau Nina von der Arbeit kommt. Sie ist Geburtsmedizinerin am Berliner Martin-Luther-Krankenhaus.

All das mache ihn aber noch nicht zum „Spitzenvater des Jahres“, findet Siedentopf. Diese Auszeichnung haben er und sein Charité-Team für etwas anderes bekommen: Als Väterbeauftragte beraten sie Kollegen, die gerade erst welche werden. Elternzeit für die Götter in Weiß an einer renommierten Uni-Klinik? Das war lange nicht normal.

Gleichstellung gleich Frauensache? Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht diese Gleichung schon mal nicht auf. „Es kommt ebenso auf die Männer an“, betonte sie in ihrem Grußwort zur Preisverleihung an die Spitzenväter des Jahres am Freitag (6. März) in Berlin. Und wenn das Prinzip der Freiwilligkeit nicht ausreicht, gibt es Gebote. Nach jahrelanger kontroverser Debatte beschloss der Bundestag die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten von Großunternehmen. Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) sprach von einem „historischen Schritt“ zur Durchsetzung der Gleichberechtigung.

Für Spitzenväter muss Gleichberechtigung nicht nur am Internationalen Frauentag (8. März) gelten, sondern jeden Tag. Das ist die Maxime des Bäckerei-Familienunternehmens, das die Preise zwischen 2500 und 5000 Euro seit zehn Jahren stiftet. Dabei soll es nicht allein um Zeit für die Kinder gehen, sondern auch darum, der Partnerin für ihre Karriere den Rücken freizuhalten. „Die gleichberechtigte Partnerschaft in Ehe und Familie fördert die Leistungskraft von Gesellschaft und Wirtschaft“, ist Initiatorin Ulrike Detmers überzeugt. Sie nennt das „Förderung der Männeremanzipation“.

Die Wirklichkeit sieht aber oft noch anders aus. So glauben zwei Drittel der Väter, dass beide Elternteile den Nachwuchs gleichermaßen erziehen, hieß es im Januar in einer repräsentativen Umfrage für die Zeitschrift „Eltern“. Unter den Müttern glaubte das allerdings nur ein Drittel. Sie sahen den Hauptanteil der Familienarbeit weiter auf den Schultern der Frauen lasten - oft neben dem eigenen Job.

Schwesig sieht trotzdem einen Wandel. „Väter wollen nicht mehr nur zum Gute-Nacht-Kuss zu Hause sein“, sagte sie in ihrem Glückwunsch an die neuen Spitzenväter. Doch die Angst vor dem Karriere-Aus bleibt bei vielen Männern bestehen, wenn sie mehr als bloß wenige Wochen Elternzeit nehmen. „Zwar wandelt sich die Arbeitszeitkultur schon in vielen Unternehmen. Aber noch immer braucht es Mut, diesen Weg auch wirklich zu gehen“, sagte Schwesig.

So wie der neue „Spitzenvater“ Muhittin Demir. Er arbeitet als Facharzt für Hals-Nasen-und Ohrenleiden an der Uni-Klinik in Münster. Für seine drei Söhne Eren, Kerem und Eymen hat er insgesamt fast drei Jahre Elternzeit genommen - gegen einige Widerstände seines Arbeitgebers, sagt er.

In dieser Zeit studierte seine Frau Selvi Copur-Demir Biochemie, machte ihren Bachelor und setzt gerade den Master in angewandter Ethik obendrauf. Muhittin Demir bringt heute neben seinem Job die Kinder zur Schule, macht mit ihnen Hausaufgaben oder begleitet sie zum Sport. Er will nichts in ihrer Erziehung und Entwicklung verpassen. „Beide Elternteile sollten diese Arbeit gemeinsam stemmen“, findet er. Die Jury urteilte, dass er damit auch ein Vorbild für andere Kulturkreise ist.

Auch der dritte Spitzenvater, der Berliner Norman Heise, tritt für seine Familie kürzer. Er arbeitet in Teilzeit, seine Partnerin Christine Schulze Vollzeit. Heise kümmert sich unter der Woche um die beiden Söhne Jared und Kendrick, übernimmt Abwasch, Wäsche und Hausputz. Daneben engagiert er sich für Kitas und Schulen - bis hin in die Bundeselternvertretung.

Putzen würde Charité-Arzt Jan-Peter Siedentopf nur ungern. „Da meine Frau sich auch nicht darum reißt, haben wir eine Putzfrau“, gibt er zu. Aber den ganzen Rest organisiert das Paar partnerschaftlich. Er würde auch Teilzeit arbeiten, sagt Siedentopf. Doch er verdient an der Uni-Klinik mehr als seine Frau. „Die Entscheidung war eine Frage des Familieneinkommens“, sagt er. Nun arbeitet seine Frau Teilzeit - der Klassiker.

Als Väterbeauftragter an der Charité muss Siedentopf heute keine Barrikadenkämpfe mehr führen, wenn Kollegen länger in Elternzeit wollen. Doch es gibt immer wieder Probleme. Was ist bei befristeten Forschungsprojekten? Kommt ein Arzt nach der Pause auf seine Position zurück? „Männern fehlt auch der Puffer des Mutterschutzes“, sagt er. Das gehe schon beim Urlaubsantrag für die Zeit nach der Geburt los. Welches Kind richtet sich nach Dienstformularen, wenn es auf die Welt will?

Doch die Jahre, in denen Chefs Ärzte bei Elternzeit-Wünschen fragten: „Wollen Sie sich ihre Karriere ruinieren?“ seien fast vorbei, sagt Siedentopf. Es sei eine Generationenfrage. „Mein Chef hat gesagt, er hätte einige Aspekte beim Heranwachsen seiner Kinder verpasst“, berichtet er. „Das möchte ich später nicht sagen.“ Bisher hat er sieben Monate Elternzeit genommen. Soll es mehr werden für die beiden Jungs? Siedentopf überlegt. „Vielleicht wäre noch ein Baby auch ein Idee“, sagt er dann.

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