Frauen beim Junggesellinnenabschied

Jena (dpa) - Sie gehen in den Stripclub, trinken um die Wette und verkaufen Küsschen: Auch junge Frauen feiern immer öfter auf offener Straße Junggesellinnenabschied. Die Rituale der Elterngeneration sind dagegen nicht mehr zeitgemäß, sagen Forscher.

Amüsiert beobachten zwei Frauen auf der Parkbank, wie Franziska sich in bester Sektlaune ein potthässliches, mit bunten Blumen bedrucktes Röckchen über ihre neongrünen Leggins streift. Ihre Clique johlt, die Zuschauerinnen auf der Bank haben verstanden: „Das wird ja immer schöner! Sie wollen wohl heiraten?“ Immer öfter feiern auch junge Frauen mit ihren Freundinnen ausgelassen Abschied vom Junggesellinnendasein, bevor sie unter die Haube kommen. Und das meist genauso wild wie Männer. „Männer und Frauen sind da gleichberechtigt“, sagt Volkskundlerin Christel Köhle-Hezinger von der Universität Jena.

Eine Woche hat Franziska noch bis zur Trauung mit ihrem Freund Sebastian, und ihre Freundinnen haben sich in den Kopf gesetzt, zuvor noch einmal gebührend zu feiern. Deshalb muss sie nun im Jenaer Stadtpark zum improvisierten Eisprinzessinnen-Contest auf Skates antreten. Die Mittzwanzigerin nimmt es mit Humor. Der Schleier weht im Wind, die knallig-bunten Klamotten ziehen die Blicke der Passanten auf sich. Manch einer mag an eine öffentliche Bad-Taste-Party denken. Franziska dreht grazil ein paar Runden auf ihren Skates, mit Trillerpfeifen angespornt von ihren fünf bunt gekleideten Freundinnen. Die beiden älteren Frauen auf der Bank haben sichtlich Spaß an dem Schauspiel. „Ich dachte, solche Junggesellenabschiede machen nur die Jungs“, sagt eine der beiden.

Doch weit gefehlt: Eine kulturwissenschaftliche Bachelorarbeit an der Universität Jena hat ergeben, dass junge Frauen sich immer öfter mit einem lautstarken Abschied vom Junggesellinnendasein in die Öffentlichkeit wagen. In den vergangenen 20 Jahren habe der Trend zum Junggesellenabschied rapide zugenommen. Besonders in Nord- und Westdeutschland sei das schon länger eine verbreitete Sitte, während der Osten allmählich nachziehe, erklärt Köhle-Hezinger. Vor allem in den Städten seien die feiernden Grüppchen anzutreffen: „Auf dem Dorf fehlt dafür das Publikum.“

Die heutigen Rituale seien öffentlicher, sagt die Expertin. Während die Eltern-Generation einen privaten Polterabend gefeiert habe, ziehe es die junge Generation heute hinaus auf die Straße. Die Professorin sieht in den Junggesellenabschieden ein modernes Ritual, mit dem die Menschen sich zu einem neuen Lebensabschnitt bekennen: „Man lebt heute schon viel länger unverheiratet zusammen. Alte Rituale wie die Braut über die Schwelle zu tragen oder die Hochzeitsnacht gelten da als Farce. Wenn sie dann noch heiraten, haben die Leute ein Bedürfnis zu feiern und zu zeigen: Wir besiegeln das jetzt.“ Dafür brauche es zeitgemäße Rituale, denn die alten aus der Eltern- und Großelterngeneration passten nicht mehr.

Das bestätigt auch Marina Moritz vom Erfurter Volkskundemuseum. „Gerade in höher gebildeten Schichten verschiebt sich die Familienplanung immer weiter nach hinten - dann muss das Fest auch etwas Besonderes sein.“ Moritz spricht von einem überfrachteten Glücksanspruch: „Wenn ich so viel Geld für die Feier ausgebe, muss ich auch glücklich werden.“ Dazu passe der Trend zum Junggesellenabschied für Männer und Frauen. „Zum Anlass der Hochzeit mal den Stress hinter sich und die Sau raus lassen - das ist ein Ventil, das man dann braucht“, sagt die Museumsdirektorin.

Im Jenaer Paradiespark hat Franziska inzwischen ihre Kür beendet und zieht nun mit ihren Freundinnen samt Bollerwagen weiter Richtung Innenstadt. Den prall mit Alkohol, Kuchen und Obst gefüllten Wagen ziert das Abbild eines nackten Männeroberkörpers. Am Ende des Abends soll sie mit viel Charme einen Mann finden, der ihr einen Drink spendiert - der auf solchen Festen häufig gepflegte Kondomverkauf aus dem Bauchladen ist ihr dagegen erspart geblieben.

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