Kinder vertragen Trauer besser als Erwachsene glauben

Röbel (dpa) - Mit der dunkleren Jahreszeit steigt die Zahl der Sterbefälle. Doch Trauer und Beerdigungen gehören zum Leben und sollten kein Tabu-Thema sein, meinen Experten. Und Kinder verkraften solche Probleme besser, als viele Erwachsene glaubten.

Mit dem Rückgang klassischer Bestattungsrituale kommen auch Kinder und Jugendliche immer weniger mit dem Thema Sterben zurecht. „Wir merken, dass Kinder immer schwerer Trauerfälle wirklich bewältigen, weil es auch bei Erwachsenen noch ein Tabu-Thema ist“, sagt Sylke Ilg, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Röbel (Mecklenburgische Seenplatte). Dabei könnten Kinder generell Trauer gut bewältigen, wenn sie ihrem Entwicklungsalter entsprechend angesprochen und behandelt würden. „Falsche Rücksicht ist es beispielsweise, Kinder von Beerdigungen auszuschließen“, sagt Ilg. Kinder vertrügen die Trauerfeiern. Viele Eltern seien allerdings unsicher, was altersgerecht sei.

Bei Todesfällen in der Familie sollten Eltern durchaus mutiger mit Kindern über den Verlust reden. „Kinder und Jugendliche brauchen dann Angehörige, die zuhören und ihre Antworten nicht bewerten“, erläutert die 51-Jährige. Zum altersgerechten Umgang gehört auch, dass Kinder ihren Teddy mit in ein Grab legen können, wenn etwa ein Großeltern- oder Elternteil gestorben ist. In solchen Fällen müsse Mädchen und Jungen ein Vertrauter zur Seite stehen, der ihnen auch ermögliche, bei einer Beerdigung mal auf Abstand zu gehen. Das müsse nicht immer eine Mutter oder ein Vater sein.

Das Thema Tod begleite den Nachwuchs ohnehin viel häufiger, als viele Angehörigen glaubten. „Bei Spielen und Filmen kommt das ständig vor.“ Deshalb sei es wichtig, Kindern auch den Umgang mit Trauer so zu ermöglichen, dass sie gestärkt aus solchen Erfahrungen hervorgingen, wenn es wirklich ihre Familie oder nahe Freunde betrifft.

Die Expertin rät Eltern auch, nicht zu erstaunen, wenn Kinder nach Jahren noch einmal auf den Tod eines Angehörigen zurückkommen. „Jedes Alter hat andere Fragen, ein Vierjähriger verarbeitet den Tod eines Elternteils anders als ein Achtjähriger“, erklärt Ilg. Für die Kinder zähle in solchen Fällen vor allem Wahrhaftigkeit. „Kinder wollen die Wahrheit wissen, aber nicht gleich alle Einzelheiten.“ Ein Kind frage mehr, ein anderes weniger, das sei sehr individuell. Gespräche über das Thema Sterben seien schon mit Kindern im Kita-Alter möglich.

Werde die Wahrheit verschwiegen - mitunter wird erzählt, ein Großelternteil sei verreist, statt gestorben - könne es später zu einem Vertrauensbruch kommen. „Der Spruch "Das ist noch nichts für dein Alter" ist völlig falsch“, meint Ilg.

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