Loslassen braucht Zeit: Das Kind Fremden anvertrauen

Berlin (dpa/tmn) - Mit der Geburt beginnt bereits die Abnabelung: Loslassen gehört von Anfang an zur Eltern-Kind-Beziehung. Dennoch ist bei Trennungen wie dem Kita-Start der Schmerz oft groß. Muss das sein?

Loslassen braucht Zeit: Das Kind Fremden anvertrauen
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Berlin (dpa/tmn) - Mit der Geburt beginnt bereits die Abnabelung: Loslassen gehört von Anfang an zur Eltern-Kind-Beziehung. Dennoch ist bei Trennungen wie dem Kita-Start der Schmerz oft groß. Muss das sein?

Ein kleines Mädchen rüttelt an der geschlossenen Tür und weint „Mama! Mama!“. Die Mutter steht auf der anderen Seite und hält mühsam die Tränen zurück. Eine Szene, wie sie sich in Kitas während der Eingewöhnung immer wieder abspielt. Experten erklären, wie Mutter und Vater ihrem Kind und sich selbst diesen Schritt möglichst leicht machen:

Wann ist der richtige Zeitpunkt für Kita oder Tagespflege?

Eine zentrale Frage sei, wann die Eltern in den Beruf zurück wollten, sagt Heidemarie Arnhold. Sie ist Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises Neue Erziehung. Aus entwicklungspsychologischer Sicht sei es sinnvoll, mit der Kita oder Tagesbetreuung nicht gerade dann zu beginnen, wenn das Kind fremdelt.

Die Eltern sollten außerdem darauf achten, dass die Zeit der Eingewöhnung nicht mit anderen großen Veränderungen in der Familie wie einem Umzug oder der Geburt eines Geschwisterkindes zusammenfalle, rät der Soziologe Hans-Joachim Laewen.

Welche ist die beste Betreuungsmöglichkeit?

„Das hängt vom Einzelfall ab“, sagt Laewen. Ob Oma, Tagesmutter oder Erzieherin in der Kita: „Wichtig ist immer, dass es feste Bezugspersonen sind“, sagt Familienberater und Buchautor Jan-Uwe Rogge.

Wie sieht eine gute Eingewöhnung aus?

„Ein Elternteil sollte die Eingewöhnung begleiten“, empfiehlt Laewen. Der Soziologe ist Mitgründer des Instituts für angewandte Sozialisationsforschung. Das Institut hat mit dem „Berliner Modell“ ein Eingewöhnungskonzept entwickelt, an dem sich viele Betreuungseinrichtungen orientieren. Demnach bleiben in den ersten Tagen Vater oder Mutter eine bis eineinhalb Stunden als sicherer Hafen mit in der Gruppe.

„Ein erster Trennungsversuch sollte nicht vor dem vierten Tag stattfinden“, sagt Laewen. „Wenn die Eltern gehen, müssen sie sich verabschieden, rausschleichen ist keine gute Idee.“ Denn das Kind soll Mama oder Papa auch weiterhin vertrauen können und nicht durch ein unbemerktes Verschwinden verunsichert werden. Die Eltern bleiben zunächst höchstens eine halbe Stunde weg.

Bei den ersten Trennungsversuchen sei Weinen eine völlig normale Reaktion. Die Frage ist dann, wie schnell es sich beruhigen lässt, wenn die Eltern den Raum verlassen haben. „Das sollte innerhalb von ein bis zwei Minuten der Fall sein“, sagt Laewen.

Wie kann man dem Kind den Abschied leichter machen?

Besonders wichtig sind Rituale. „Sie sollten sich immer mit einem bestimmten Satz, einem Kuss oder einer Umarmung verabschieden“, sagt Arnhold.

Wie kommen die Eltern am besten mit der Trennung klar?

„Eltern dürfen sich nicht von ihrem schlechten Gewissen treiben lassen“, sagt Familienberater Rogge. Auch Eifersucht ist völlig fehl am Platz. „In der Hierarchie der Bindungsbeziehungen bleiben die Eltern ganz oben“, sagt Laewe.

Wann ist der Moment, abzubrechen, wenn es nicht klappt?

Wie lange die Eingewöhnung dauert, ist unterschiedlich. „Es gibt Kinder, die sind nach zwei bis drei Wochen voll da“, sagt Rogge. Für andere werde die Kita erst nach drei bis sechs Monaten zum Alltag. Arnhold warnt davor, die Kinder zu schnell herauszunehmen. Sie empfiehlt, zunächst das Gespräch mit den Erziehern zu suchen.

Literatur:

Jan-Uwe Rogge, Angelika Bartram: Warum Raben die besseren Eltern sind, Gräfe und Unzer, 176 Seiten, 14,99 Euro, ISBN-13: 9783833833090

Beate Andres, Eva Hédervári-Heller, Hans-Joachim Laewen: Die ersten Tage - Ein Modell zur Eingewöhnung in Krippe und Tagespflege, Cornelsen, 104 Seiten, 16,50 Euro, ISBN-13: 9783589247301

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