Millionen Eltern im Zeitstress - Kinder leiden darunter

Berlin (dpa) - Zeit fürs Kind, Zeit für den Partner, Zeit für sich selbst - für viele Eltern die Quadratur des Kreises. Der Stress nimmt zu und macht Kinder krank. Eltern sollten lernen, ihre eigenen Bedürfnisse durchsetzen - und sich auch mal eine Auszeit gönnen.

Millionen Eltern im Zeitstress - Kinder leiden darunter
Foto: dpa

Immer mehr Eltern und ihre Kinder in Deutschland leiden unter Hektik und Zeitmangel in der Familie. Der Anteil der Eltern, die sich durch Zeitstress stark belastet fühlen, stieg innerhalb von vier Jahren von 41 auf heute 46 Prozent. Kinder gestresster Eltern fühlen sich dabei deutlich häufiger gesundheitlich beeinträchtigt.

Insgesamt sind aber 93 Prozent der Eltern mit ihrem Familienleben zufrieden, zeigt die am Donnerstag (6. März) in Berlin vorgestellte AOK-Familienstudie 2014. „Zwei Drittel der Eltern fühlen sich auch gesundheitlich sehr gut“, sagte AOK-Chef Jürgen Graalmann. Der Anteil der Eltern mit finanzieller oder psychischer Belastung sank im Vergleich zur Vorgängererhebung deutlich auf 28 beziehungsweise 25 Prozent.

Graalmann machte die gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland als Ursache aus. Sorgen bereiten den Studienautoren der zunehmende Stress. „Gestresste Eltern haben häufiger Kinder mit gesundheitlichen Beschwerden“, sagte Graalmann. Insgesamt zeigt jedes fünfte Kind in Deutschland laut Studie regelmäßig Beschwerden wie Gereiztheit, Einschlafstörungen, Bauch- oder Kopfschmerzen. 24 Prozent der Eltern, die sich zeitlich stark belastet fühlen, haben Kinder mit solchen Beeinträchtigungen. Bei Eltern mit wenig zeitlicher Belastung sind es nur 16 Prozent.

Helfen könnten laut Studie verlässliche Kinderbetreuung, die Chance, zuhause zu arbeiten, und flexible Arbeitszeiten. Eltern sollten auf sich achten, Zeit in der Familie verbringen und breite soziale Netze aufbauen, rät die Hamburger Gesundheitspsychologin Ulrike Ravens-Sieberer. Besonders wichtig auch für die Gesundheit der Kinder sind laut Experten feste Regeln und Routinen wie gemeinsame Mahlzeiten, Ausflüge, Aktivitäten.

Sich Auszeiten zu nehmen, fällt Müttern und Vätern im Alltag oft nicht leicht - dabei ist es sehr wichtig. „Eltern nehmen es sich vor, es geht dann aber schnell unter“, sagt Michaela Herchenhan, familienpolitische Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF). Dagegen helfe nur, ein oder zwei Stunden reservierte Zeit immer wieder liebevoll durchzusetzen. Am besten wird die in den Kalender eingetragen und klar gegenüber den Kindern angekündigt: „In dieser Stunde beschäftigst du dich selbst oder bist bei der Oma“, schlägt Herchenhan vor.

Vor allem Mütter seien gut darin, eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Sie hätten schnell Angst, sonst als Rabenmutter dazustehen. „Stattdessen sollten sie sich fragen: "Wie geht es meinem Kind mit einer unglücklichen Mutter?"“, sagt Herchenhan. Es sei legitim und wichtig für die Zufriedenheit der ganzen Familie, regelmäßig Zeit für sich zu haben. Was man dabei mache, sei egal: Lesen, Nichtstun oder Schlafen. „Es muss Spaß machen und darf nicht mit weiterer Arbeit gefüllt werden.“

Neben der Zeit für einen selbst, darf auch der Partner nicht vergessen werden. „Die Partnerschaft ist für die Stabilität der Familie unumgänglich.“ Diese Basis müsse stark sein. Erreichen können Paare das mit einem Ritual: „Einmal die Woche einen Abend reservieren, an dem man essen geht, gemeinsam etwas kocht und der Babysitter die Kinder versorgt“, rät Herchenhan.

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