Spagat zwischen Beruf und Familie - Eltern im Stress

Wiesbaden (dpa) - Der Spagat zwischen Beruf und Familie kostet Zeit und Kraft. Eltern arbeiten in Deutschland deutlich mehr als kinderlose Paare und Singles.

Spagat zwischen Beruf und Familie - Eltern im Stress
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Paare mit Kindern und Alleinerziehende sind im Durchschnitt mehr als 58 Stunden pro Woche mit Haushalt, Familie und Job beschäftigt. Das sind gut 9,5 Stunden mehr als kinderlose Paare und Singles.

„Die Differenz ergibt sich vorrangig durch 10,5 Stunden mehr unbezahlte Arbeit, die etwa bei der Kinderbetreuung oder der Haushaltsführung anfällt“, teilte das Statistische Bundesamt mit. Basis ist eine Studie von 2012/13, die untersucht, wie Menschen ihre Zeit aufteilen.

Besonders groß ist der Unterschied bei den Frauen: Eine Mutter verbringt jede Woche im Durchschnitt sieben Stunden weniger mit Erwerbsarbeit und 15 Stunden mehr mit unbezahlter Arbeit als eine Frau ohne Kind. Väter leisten sowohl mehr bezahlte (plus sieben Stunden) als auch mehr unbezahlte Arbeit (plus vier Stunden) als ihre kinderlosen Geschlechtsgenossen.

Im Vergleich zu den Müttern sind Väter im Durchschnitt sogar zwei Stunden mehr pro Woche im Einsatz. Bei den kinderlosen Paaren und Alleinstehenden liegt die Wochenarbeitszeit der Frauen (mit etwa 49 Stunden) dagegen um eine Stunde über der der Männer.

„Die Männer übernehmen mehr Arbeit, stecken aber beruflich nicht zurück“, stellt Bastian Roet von Berufsverband Deutscher Soziologen fest. Druck bis zum Burnout könne die Folge sein. Denn zur Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt und der Belastung im Beruf kämen noch die Anforderungen der Familie. „So schön es ist, Vater zu werden, es kommt noch ein Ding drauf“, sagt der Soziologe. „Was sage ich dem Chef, wenn es heute Abend länger dauert? Das war früher vielleicht einfacher.“ Die Situation der Mütter sei nicht weniger schwierig: Sie steckten beruflich noch immer deutlich zurück, das schlage sich auch in der Rente nieder.

Im Vergleich zur letzten Erhebung der Statistiker im Jahr 2001/2002 ist sowohl bei Frauen als auch bei Männern der Anteil unbezahlter Arbeit gesunken. Dazu gehören neben dem Haushalt, der Betreuung von Kindern und alten Angehörigen auch ehrenamtliche Arbeit. Frauen nehmen sich beispielsweise jede Woche 2,5 Stunden weniger Zeit für die Zubereitung von Mahlzeiten, das Putzen der Wohnung und das Waschen und Bügeln als elf Jahre zuvor. Dafür stieg ihre durchschnittliche Erwerbstätigkeit um fast 3 auf gut 16 Stunden. Männer engagieren sich eine Stunde weniger in der Woche für Gartenarbeit, Tierpflege und handwerkliche Arbeiten.

Die Arbeitsteilung wird nach Einschätzung von Zukunftsforscher Andreas Steinle gleichberechtigter werden. „Bald verdienen die Frauen mehr Geld als die Männer“, sagte der Chef von Zukunftsinstitut Workshop, einer Schwestergesellschaft des Instituts von Matthias Horx. Diese ökonomische Umschichtung werde dazu führen, dass mehr Männer bei den Kindern bleiben. Der Mann werde die Karriere für sich anders definieren und nicht mehr vor allem arbeiten bis zum Herzinfarkt, sondern auch mehr Zeit in seine Familie investieren. Da sich aber beide Elternteile in Beruf und Familie verwirklichen wollten, werde - begünstigt durch den digitalen Wandel - mehr Unterstützung online eingekauft, etwa Putzhilfen und Kinderbetreuer.

„Wir können noch 500 Jahre warten, bis sich was Wesentliches ändert“, sagt dagegen Familiensoziologin Corinna Onnen von der Universität Vechta in Niedersachsen. In der Kinderbetreuung tue sich ein „klitzekleinbischen was“: „Männer machen etwas mehr als noch vor ein paar Jahren.“ Allerdings engagierten sie sich mehr in der Kinderbetreuung als im Haushalt und übernähmen auch da „nur die angenehmen Dinge wie spielen oder allenfalls mit Kindern einkaufen“.

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