Was sich liebt, das neckt sich

Sticheln verbindet. Doch Männer und Frauen haben auch wunde Punkte. Diese sollte man beim Hänseln unberührt lassen.

Düsseldorf. Er nennt sie liebevoll "seine kleine Elfe", obwohl sie zehn Kilogramm zuviel auf die Waage bringt. Sie frotzelt, schon einmal das Telefon und die Rufnummer des Notdienstes bereit zu halten, wenn er gerade den Hammer aus dem Werkzeugkasten holt. Männer und Frauen können ganz schön gemein zueinander sein. Dennoch: Die obigen Zitate stammen aus einer vollkommen intakten Familie. Denn sie sind eigentlich nicht bösartig gemeint, sondern zählen zu dem weiten Feld der Neckereien - und die haben auf menschliche Beziehungen einen stabilisierenden Effekt.

"Neckereien bringen Menschen einander näher", erklärt Psychologie-Professor Dacher Keltner von der Universität Berkeley und beklagt, dass das Sich-Lustig-Machen über Andere oft zu Unrecht als aggressiv oder unfreundlich eingestuft wird. Es gebe dem geneckten Menschen vielmehr das Gefühl, trotz seiner Schwächen respektiert und geliebt zu werden.

Keltner forderte in einer Studie 60 Paare auf, sich Spitznamen für den Anderen auszudenken und das Entstehen dieser Namen mit einer kurzen Geschichte zu erklären. Das Ergebnis: Paare, die ihre Beziehung als stabil einstuften, neckten sich auf humorvollere und einfallsreichere Weise als jene, die ihre Beziehung eher als unbefriedigend empfanden.

Aber auch Männer und Frauen, die bereits ihre baldige Trennung beschlossen haben, waren sehr einfallsreich im gegenseitigen Neckumgang - und kamen sich darüber sogar wieder näher. Nach Keltners Ansicht ein deutliches Indiz dafür, dass Hänseleien helfen können, Distanz abzubauen und feindliche Fronten aufzuweichen.

Dies kann John Gottman von der Washington-Universität in Seattle nur bestätigen. Seine Untersuchung an 130 Frischvermählten ergab, dass sich bei den Männern Herzschlag und Schweißproduktion senkten, wenn sie von ihrer Frau aufgezogen wurden. Außerdem zeigte sich, dass die Chancen für eine Ehe deutlich steigen, die nächsten sechs Jahre zu überstehen, wenn die Frauen ihren Männern immer wieder ein paar neckende Spitzen setzen. Gottman: "Necken sorgt für einen natürlichen Abbau von Konflikten und Spannungen und trägt dadurch zur Stabilität einer Beziehung bei."

Doch bei allen Vorzügen, einen Freifahrtschein für das ungehemmte Necken gibt es nicht. Denn Männer und Frauen pflegen sich über unterschiedliche Dinge lustig zu machen, und sie haben unterschiedliche Empfindlichkeiten, wo sie eine Neckerei noch als freundliche Geste oder aber als bodenlose Gemeinheit auffassen. So haben Männer bei ihren Hänseleien gerne körperliche Merkmale im Visier, und das kann ziemlichen Ärger bringen.

Denn Frauen werden von ihrer Erziehung und den gesellschaftlichen Erwartungen nach wie vor darauf geeicht, möglichst schön und makellos auszusehen, weswegen sie sehr empfindlich reagieren, wenn man sie allzu oft wegen ihrer Speckpölsterchen ("Ich liebe es, dass du keine Ecken und Kanten hast") oder Schminkgewohnheiten ("Sag mir Bescheid, wenn du ins Badezimmer gehst, damit ich mir eine Pizza bestellen kann") aufzieht.

Hier sind die Männer gefordert, die richtige Mischung zwischen Neckereien und Komplimenten zu finden. Auf der anderen Seite hat natürlich auch der Mann seine Achillesferse, an denen er empfindlich auf Neckereien reagiert. Er kann es nämlich nicht leiden, wenn man ihn wegen seiner sexuellen Leistungen aufzieht ("Seitdem ich mit dir zusammen bin, weiß ich, dass Sex nicht das Wichtigste auf der Welt ist"). Denn das trifft ihn im Innersten seines männlichen Selbstwertgefühls.

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