Mini-Inflation stärkt Kaufkraft der Verbraucher

Frankfurt/Main (dpa) - Heizöl und Benzin werden günstiger, die Nahrungsmittelpreise stagnieren. Das freut die Verbraucher, die dank steigender Löhne und Rekordbeschäftigung in bester Konsumlaune sind.

Mini-Inflation stärkt Kaufkraft der Verbraucher
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Die Inflation in Deutschland ist seit Monaten gering - und sie wird nach allen Prognosen noch länger niedrig bleiben. Gleichzeitig boomt der Arbeitsmarkt, und die Löhne steigen. Das stärkt die Kaufkraft der Verbraucher.

Was bedeutet der geringe Preisauftrieb für Verbraucher?

Im Juni lagen die Verbraucherpreise in Deutschland nur 1,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Zwar wurden Pauschalreisen mit Beginn der Sommerurlaubszeit teurer, auch die Nettokaltmieten stiegen. Doch Autofahrer können sich freuen: Die Spritpreise liegen seit Monaten unter dem Vorjahresniveau. Auch Heizöl wird immer günstiger, während der Anstieg bei den Nahrungsmittelpreisen gestoppt ist. Das alles drückt die Inflation insgesamt und ist gut fürs Portemonnaie: Verbraucher bekommen mehr für ihr Geld, die Kaufkraft steigt. Die Europäische Zentralbank (EZB) betont in ihrem Juni-Monatsbericht, dass die verfügbaren Einkommen im Euroraum im Schlussquartal 2013 nicht zuletzt dank des geringen Preisauftriebs erstmals seit Anfang 2010 im Jahresvergleich wieder gestiegen sind.

Warum steigen die Verbraucherpreise so langsam?

Europas oberster Währungshüter Mario Draghi führt dies vor allem auf zwei Effekte zurück. Zunächst hätten die weltweiten Energie- und Nahrungsmittelpreise nachgegeben. Seit etwa eineinhalb Jahren verbillige zudem der starke Euro importierte Waren, sagte der EZB-Präsident Anfang Juli. Die Notenbank hat deshalb Maßnahmen ergriffen, um den Euro gegenüber dem Dollar zu schwächen. Denn anders als die Verbraucher sehen die Währungshüter eine Gefahr in der mickrigen Teuerung: Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Rate von knapp unter 2,0 Prozent gewahrt.

Wie reagieren die Verbraucher auf den schwachen Preisdruck?

Die Menschen in Deutschland, die traditionell besonders gern Geld auf die hohe Kante legen, haben die Konsumlust für sich entdeckt. Wie die Experten der Nürnberger Marktforschungsgesellschaft GfK erklären, ist die Kauflaune so hoch wie seit 2006 nicht mehr. Die privaten Bausparkassen kommen nach ihrer Sommerumfrage 2014 zu dem Fazit: „Sparen macht den Deutschen offensichtlich immer weniger Spaß. Vor einem Jahr legten noch 49 Prozent der Deutschen Geld auf die hohe Kante. Im Sommer 2014 sind es nur noch 40 Prozent.“ Die Sparbereitschaft sei auf den mit Abstand tiefsten Wert gefallen, der seit Beginn dieser Umfragereihe im Jahr 1997 gemessen wurde.

Warum wird weniger gespart?

Das liegt auch an den extrem niedrigen Zinsen, mit denen die EZB die Wirtschaft ankurbeln und die Inflation an ihren Zielwert annähern will. Da die Geschäftsbanken sich an den Leitzinsen orientieren, liegt selbst die derzeit sehr niedrige Inflationsrate in Deutschland noch über den Zinsen, die Sparbücher oder Tagesgeldkonten abwerfen. Ersparnisse verlieren also unter dem Strich an Wert. „Den Deutschen vergeht angesichts der Mini-Zinsen langsam die Sparlust“, sagt der Chef des Verbands der Privaten Bausparkassen, Andreas Zehnder. Und GfK-Experte Rolf Bürkl betont mit Blick auf die jüngste Leitzinssenkung: „Jetzt ist es noch weniger ratsam zu sparen.“ Allerdings wären die Einbußen für Sparer noch größer, wenn die Inflation höher läge.

Warum steigen die Preise hierzulande schneller als im Euroraum?

Das ist zum einen eine Folge der Anpassungen in Krisenländern des Euroraums. Dort müssen Unternehmen Preise senken, um wettbewerbsfähiger zu werden. Regierungen müssen sparen, um ihre Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. In Deutschland ist die Konjunktur hingegen robust. Das schafft Raum für Investitionen und Lohnerhöhungen. Schon 2013 hatten die Tarifbeschäftigten nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei einer Inflation von 1,5 Prozent im Schnitt brutto 2,4 Prozent mehr auf dem Gehaltszettel als zuvor.

Wie werden sich die Verbraucherpreise in naher Zukunft entwickeln?

Experten rechnen weiterhin nur mit moderaten Preissteigerungen. Zwar besteht in Deutschland anders als in vielen anderen Euro-Ländern durch die anziehende Konjunktur mittelfristig Potenzial für höhere Raten. „Der stärker aufwärtsgerichtete Lohntrend dürfte den binnenwirtschaftlich bedingten Preisanstieg in der Grundtendenz anziehen lassen“, erklärt die Bundesbank. Doch eine Teuerungsrate von nahe 2 Prozent dürfte so schnell nicht wieder erreicht werden. Die Bundesbank hat nach europäischer Berechnung eine Teuerung von 1,1 Prozent in diesem und 1,5 Prozent im kommenden Jahr vorhergesagt. Erst 2016 wird die Inflationsrate demnach auf 1,9 Prozent steigen und sich damit wieder dem Zielwert der EZB annähern.

Warum ist Preisstabilität so wichtig?

Weil die Kaufkraft des Geldes bei stabilen Preisen erhalten bleibt. Steigen die Preise, können sich Menschen bei konstanten Einkommen von ihrem Geld hingegen immer weniger leisten. Auch für Sparer ist eine hohe Inflation schlecht: Je schneller die Preise steigen, umso höher müssen ihre Anlagen verzinst werden. Sonst verliert ihr Geld real an Wert. Auf der anderen Seite zehrt Inflation aber auch Schulden auf.

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