Schenken oder vererben: Entscheidung gut überlegen

München (dpa/tmn) - Ob Immobilien oder Geld, im Laufe eines Lebens kann sich ein kleines Vermögen ansammeln. Mancher mag sich fragen, ob es nicht besser ist, die Kinder schon vorzeitig zu beschenken.

Egal wie die Antwort ausfällt, sie muss gut bedacht werden.

Auf den ersten Blick klingt es vernünftig: Das Eigenheim bekommt einmal der Sohn. Dann kann ihm die Immobilie auch schon zu Lebzeiten vermacht werden. Doch eine solche Schenkung will gut überlegt sein. Sie lässt sich - anders als ein Testament - nur in sehr engen Grenzen rückgängig machen.

Wenn das Vermögen schon zu Lebzeiten übertragen wird, sprechen Juristen von der vorgezogenen Vermögensübertragung. Die kann aus mehreren Gründen sinnvoll sein. Ein Vorzug sei etwa, dass man die Dankbarkeit der Kinder noch erlebe, erklärt Klaus Michael Groll, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht in München: „Der Volksmund spricht auch vom Geben aus warmer Hand.“

Es kann aber auch viel profanere Gründe haben, sein Geld oder sein Haus vorab zu verschenken. Dann nämlich, wenn das Vermögen den Freibetrag überschreitet. „Wenn ich ein Vermögen über 400 000 Euro habe, ist es sinnvoll, das vorab zu verschenken“, erklärt Jan Bittler, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV).

Die Steuerbegünstigung durch die vorgezogene Schenkung lohnt sich nach Angaben von Groll aber nicht nur für besonders vermögende Menschen. Auch wenn nicht die Kinder oder Ehepartner als Erben eingesetzt werden sollen, sondern etwa Neffen und Geschwister, könne ein Vorziehen des Erbes sinnvoll sein: „Hier sind die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer nämlich deutlich niedriger.“

Die vorzeitige Schenkung kann auch eine Methode sein, um etwa unliebsame Kinder zu enterben. Normalerweise haben sie einen Pflichtteilsanspruch. Wird nun ein Vermögen vorzeitig an andere verschenkt, haben die leer ausgehenden Erben Anspruch auf einen entsprechenden Pflichtteilsausgleich. Allerdings verringert sich dieser Anspruch jedes Jahr nach der Schenkung um zehn Prozent, wie Bittler erklärt: „Nach zehn Jahren ist der Anspruch weg.“

Abgesehen von solchen speziellen Fällen raten viele Experten aber grundsätzlich von der vorgezogenen Vermögensübertragung ab. Erbrechtsexperte Groll sprich sogar vom „Zeitalter des Übertragungswahns“: „Viele Eltern werden heute von ihren Kindern unter Druck gesetzt, das Erbe schon zu Lebzeiten zu vermachen. Ich kann nur davor warnen, leichtfertig sein Vermögen zu verschenken.“

Das gilt insbesondere für die Übertragung von Wohnungen und Häusern, wie Christian Rupp, Geschäftsführer des Deutschen Notarvereins in Berlin, erklärt: „Wenn überhaupt keine Not besteht, die Immobilie zu übertragen, sollte man das auch nicht tun.“ Das gilt besonders bei selbst genutzten Immobilien. Entschließt man sich hier zur vorzeitigen Übertragung, sollte man sich die Rechte zur Nutzung der Immobilie auf jeden Fall sichern.

Dabei wird zwischen dem Wohnrecht und dem Nießbrauchsrecht unterschieden, wie Rupp erklärt: „Kraft des Nießbrauchs kann er die Wohnung bewohnen oder auch vermieten. Verkaufen oder belasten darf hingegen nur der neue Eigentümer.“ Das reine Wohnrecht berechtigt dagegen nicht dazu, die Immobilie wirtschaftlich zu verwerten. „Nach Möglichkeit sollte man sich für den Nießbrauch entscheiden“, rät Groll. „Denn dann hat man noch den wirtschaftlichen Nutzen, auch wenn die Immobilie bereits auf die Kinder übertragen wurde.“

Manche Eltern übertragen auch deshalb ihre Immobilien auf die Kinder, um das Eigentum im Falle eines längeren Heimaufenthalts vor dem Zugriff des Sozialamts zu schützen. Doch diese Rechnung muss nicht aufgehen. Im Fall eines Nießbrauchsrechts würde der Staat Ansprüche auf die Erträge aus der Wohnung stellen, wie Bittler erläutert.

Grundsätzlich beachten sollten Erblasser, dass Schenkungen einer großen Geldsumme, eines Häuschens oder einer Eigentumswohnung ein endgültiger Schritt sind. „Hier muss den Beteiligten klar sein: Geschenkt ist geschenkt“, erklärt Rupp. Allerdings gibt es Möglichkeiten, im Schenkungsvertrag Hintertürchen einzubauen.

Diese Hintertürchen heißen im Juristendeutsch Rückfallklauseln, wie Groll erklärt: „Dadurch kann man verfügen, dass die Schenkung etwa im Fall des Vorversterbens oder der Insolvenz des Kindes rückgängig gemacht wird. Ebenso sollte man eine entsprechende Klausel für den Fall der Scheidung aufnehmen, wenn man sein Vermögen an seinen Ehepartner überträgt.“

Literatur:

Otto N. Bretzinger: Richtig vererben und verschenken, 11,90 Euro, ISBN-13: 978-3-940580-88-7

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort