Urteil: Unerwünschte Reklame rechtswidrig

Lüneburg (dpa) - Eindeutig unerwünschte Werbung im Briefkasten ist rechtswidrig. Das hat ein Gericht in Lüneburg entschieden. Das Urteil könnte für die Versender extrem teuer werden, sollte es rechtskräftig werden.

Ein Urteil des Landgerichts Lüneburg gegen unerwünschte Reklame im Briefkasten könnte bundesweit gravierende Folgen für die Werbewirtschaft haben. Das Zuschicken von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, urteilte das Landgericht. Erkennbar nicht erwünschte Sendungen seien außerdem eine unzumutbare Belästigung.

Geklagt hatte Rechtsanwalt Henning Grewe aus Lüneburg gegen die Deutsche Post DHL. „Trotz mehrerer Schreiben an die Post wurden mir immer wieder Ausgaben von 'Einkauf aktuell' in den Briefkasten gesteckt“, sagte Grewe am Mittwoch (7. Dezember).

Im Wiederholungsfall droht der Post oder ihren gesetzlichen Vertretern nun ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. (Aktenzeichen: 4 S 44/11 - Verkündung am 4. November 2011).

Trotz dreier Schreiben seit Dezember 2010 hatte Grewe die aus einem in Klarsichtfolie verpackten Programmheft und Werbebroschüren bestehende wöchentliche Sendung bis zum vergangenen März noch acht weitere Male erhalten. Eine Unterlassungserklärung wollte die Post nicht abgeben, weil die Kosten und Mühen gemessen an der Belästigung des Klägers zu hoch seien.

Dagegen erhob Grewe Klage beim Amtsgericht. Dieses wies sie ab und sah keinen Unterlassungsanspruch. Der Kläger könne einfach einen „Werbung - nein danke!“-Aufkleber an seinem Briefkasten anbringen.

„Das wollte ich aber nicht“, erklärte Grewe zu einem Bericht der „Landeszeitung“. „Ich möchte selbst entscheiden, welche Werbung ich bekomme und welche nicht. Außerdem sehe ich nicht ein, dass ich zur Mülltrennung genötigt werde, die Packung zu öffnen und mir den Inhalt anzuschauen“, begründete Grewe seinen Schritt.

Das Landgericht sah das ähnlich. Ein solcher Aufkleber sei nicht notwendig, wenn der Empfänger auf anderem Wege eindeutig zu verstehen gegeben habe, dass er diese Werbung nicht wünsche. „Das Zusenden von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, nämlich dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar sowie eine Eigentums- oder Besitzstörung.“

Bei ihrer Entscheidung beriefen sich die Richter auch auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der das Selbstbestimmungsrecht garantiert. Das Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Individualsphäre habe grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse eines Unternehmens an Werbung. Auch gegen das Gesetz für unlauteren Wettbewerb sei dabei verstoßen worden.

„Im Hinblick auf die erhebliche Anzahl von Werbeverweigerern wird dies gegebenenfalls dazu führen, dass die bisher bekannte Form der Postwurfsendungen nicht mehr möglich sein wird“, heißt es im Urteil.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für die gesamte Werbewirtschaft ließ die Kammer eine Revision zu. Der Fall könnte also demnächst den Bundesgerichtshof beschäftigen. Ein Antrag auf Revision liege bislang noch nicht vor, erklärte eine Sprecherin des Landgerichts am Mittwoch. Die Frist sei aber noch nicht abgelaufen.

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