Wettlauf gegen Spähangriffe auf Geldautomaten

Wiesbaden (dpa) - Mit raffinierter Technik spionieren Datendiebe ihre Opfer am Geldautomaten aus. Ermittler und Industrie legen nach, etwa mit neuen Chips. Doch die Gegenseite reagiert - und das Wettrüsten geht weiter.

Auf den ersten Blick sieht die graue Abdeckung wie eine normale Blende eines Geldautomaten aus. Dann hält Ralf Kricsanowits sie in die Luft und zeigt auf einen winzigen, schwarzen Punkt. „Da sitzt die Kamera drin“, sagt der Leiter des Fachbereichs Technologie und Digitalelektronik am Kriminaltechnischen Institut des Bundeskriminalamts (BKA). Mit der Mini-Technik könnten Täter die Eingabe der Geheimnummer filmen und später Konten plündern. Das BKA sei ihnen ständig auf der Spur, aber die Kriminellen würden immer raffinierter, sagt der Experte.

Vorsichtig dreht Kricsanowits die Plastikblende um. Auf der Rückseite ist die stecknadelgroße Kamera zu sehen. Bunte Drähte schlängeln sich dicht gedrängt unter der Abdeckung und verbinden die Linse mit zwei Handyakkus und einer kleinen Speicherkarte. „Darauf werden die Daten dann gesichert“, erklärt er. Am Kartenschlitz sei zudem ein Lesegerät angebracht, das jeweils eine Kopie vom Magnetstreifen der Karte anfertige.

Im vergangenen Jahr zählte das BKA in Deutschland 3183 Angriffe auf Geldautomaten. Das waren 55 Prozent mehr als im Jahr 2009 mit 2058 Fällen. Auf rund 60 Millionen Euro bezifferten die Ermittler den Schaden 2010 aufgrund von „Skimming“ (Abschöpfen). So nennen die Ermittler diesen Datendiebstahl, bei dem die Informationen auf dem Magnetstreifen der Karte und die Geheimzahl „abgeschöpft“ werden.

Früher seien die geklauten Daten meist direkt gespeichert worden. „Was die Jungs heute machen, ist, die Daten zu verschlüsseln“, sagt Kricsanowits. Das sei ein Problem, denn der Diebstahl von Bankdaten müsse nachgewiesen werden. „Sonst können die Täter nur für Sachbeschädigung belangt werden.“ Dank einer neuen Technik ließen sich nun aber auch verschlüsselte Dateien auslesen.

Das Wettrüsten zwischen Kriminellen und Behörden geht dabei immer weiter: Seit 2011 werden fast alle Zahlungen im Euroraum über einen Chip abgedeckt. Darauf sind die Daten verschlüsselt im Gegensatz zum Magnetstreifen. „Da werden sich die Täter erstmal die Zähne dran ausbeißen“, sagt die Leiterin des Sicherheitsmanagements bei Euro Kartensysteme, Margit Schneider. Die Frankfurter Firma ist ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Kreditwirtschaft.

Nach Erhebungen von Euro Kartensysteme hat sich die Zahl der Skimming-Fälle seitdem deutlich reduziert. Von Januar bis September 2011 halbierten sich die Fälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Illegal kopierte Karten würden von den modernen Automaten am Chip erkannt, das Konto könnte nicht einfach geplündert werden.

Die Gegenseite hat aber offensichtlich bereits reagiert: Die kopierten Karten benutzten die Diebe nun nicht mehr im Euro-Raum, sondern sie gingen nun mehrheitlich in die USA und Südamerika, berichtet Schneider. Dort werde die Chiptechnik meist noch nicht eingesetzt. „Es ist ein Wettrennen mit den Kriminellen.“ Aber von dem neuen Chip sei sie sehr überzeugt. In Großbritannien sei zwar schon eine einfachere Form des Chips geknackt worden, aber die deutschen seien sicher.

BKA-Experte Kricsanowits kennt das ewige Wettrennen zur Genüge und beklagt: „Die Gegenseite hat viel mehr Leute.“ Zu neuen Schutzmaßnahmen gebe es etwas später auch eine Gegenstrategie der Täter. „Aber deshalb haben wir hier ein sportliches Interesse dagegenzuhalten.“ Und: Manchmal seien die Ideen der Kriminellen gar richtig gut.

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