Aqua Aging: Der neue Trend bei Fleisch

Schlüchtern (dpa) - Dirk Ludwig ist kein gewöhnlicher Metzger. Er experimentiert gern. So kreierte er einen neuen Trend - Aqua Aging: Das ist eine Fleischveredelung in Sprudelwasser.

Aqua Aging: Der neue Trend bei Fleisch
Foto: dpa

Die Maxime des umtriebigen Metzgers prangt in großen Lettern an der Wand hinter der Verkaufstheke. Getreu dem Schriftsteller Oscar Wilde steht dort: „Mit dem guten Geschmack ist es ganz einfach: Man nehme von allem nur das Beste.“ Bei Metzgermeister Dirk Ludwig bestellen Starköche und Edelrestaurants in Deutschland. Der Betrieb in der hessischen Kleinstadt Schlüchtern beliefert zum Beispiel den „Grill Royal“ in Berlin, bei dem Promis dinieren. So habe sich bereits Hollywood-Star George Clooney bei Berlinale-Besuchen Ludwigs Spezialitäten schmecken lassen.

„Edle Grills und ein exquisites Stück Fleisch - das ist für viele Männer Lifestyle geworden“, sagte der Metzger. „Man kann sich ja nicht für 2000 Euro einen Grill kaufen und dann nur ein Fünferpack Würstchen darauf grillen.“ Für viele Menschen entwickele sich gute Küche immer mehr zum Hobby. „Früher haben Männer ihre Autos aufgemotzt und damit angegeben, heute soll ein guter Grill und gutes Essen Eindruck hinterlassen.“ Und wer sich noch Tipps holen will, findet längst Zeitschriften am Markt, die sich speziell an Fleischfans richten.

Ludwig, der den Familienbetrieb in vierter Generation führt, experimentiert gern und gilt als kreativer Kopf. Während andere noch bei Fleisch sind, das in Kühlkammern trocken vor sich hin reift (Dry-Aged-Fleisch), hat der Metzger eine andere Methode ausgetüftelt: Aqua Aging. „In der Art eine neue Methode der Fleischveredelung“, erklärt Ludwig nach einjährigen Versuchen.

Um besonders saftiges und zartes Fleisch mit einer leicht mineralischen Note zu erhalten, legt Ludwig es in Behälter mit kohlensäurehaltigem Sprudelwasser ein. „Dabei kommt es aber auf die ausgewogene Konzentration von Kohlensäure und Wasser an“, erklärt Ludwig. Für das Aqua Aging eigneten sich nicht nur Rinder-Steaks, sondern auch Schwein, Lamm und Kalb.

„Diese Methode hat Seltenheitswert in Deutschland. Beim Aqua Aging dürfte Metzger Ludwig einer der Vorreiter sein“, sagte Gero Jentzsch, Sprecher des Deutschen Fleischer-Verbandes in Frankfurt am Main. Der Lebensmitteltechnologe und Metzgermeister Michael Weisenfels urteilt: „Aqua Aging macht ganz eindeutig Sinn. Die Methode ist handwerklich auch sehr anspruchsvoll.“ Das Fleisch ist zarter, weil die Mineralstoffe nicht auslaugen und im Produkt enthalten bleiben, wie der Redakteur des Fachmagazins „Fleischwirtschaft“ erklärt. Der Vorteil sei auch für den Metzger: Er habe weniger Gewichtsverlust als bei der Trockenreifung - und somit auch mehr Gewinn beim Verkauf.

Das Max Rubner-Institut, ein Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, kann Aqua Aging nicht bewerten. „Wir haben damit noch keine Erfahrungen“, sagte Fleischtechnologe Ralf Lautenschläger.

Spitzen-Gastronome in Deutschland sind ständig auf der Suche nach neuen Produkten, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Dem Erfindungsreichtum sind dabei keine Grenzen gesetzt. „Einige Metzger sind dabei sehr innovativ. Die Konkurrenz schläft nicht. Um sich aus der Masse abzuheben, muss man etwas bieten“, sagte Jentzsch. Er habe schon von vielen verrückten Kreationen gehört: Wurststollen, Schokoladen-Mettwurst, Weißwürste mit Senffüllung, Mett-Pralinen, Wurst-Sushi und Mini-Saumagen-Pralinen.

Um das Thema Fleisch zu zelebrieren, hat Ludwig auch eine „Steakschaft“ eröffnet, seine „Fleischerlebniszentrale“, wie er sagte. Entstanden ist ein Showroom, in dem es Veranstaltungen, Koch- und Grillkurse gibt. In der Steakschaft ist es auch eine „Carnothek“ integriert. In einem gläsernen, 40 Quadratmeter großen Kühlschrank reift das Fleisch einige Wochen bei einem Grad Celsius und geringer Luftfeuchtigkeit. Platz ist für 350 Rinderrücken in der Salzkammertrocknung. Die Salzziegelsteine, die eine warm schimmernde Wand bilden, stammen aus Österreich.

Wenn Ludwig über Fleisch spricht, gerät er fast ins Philosophieren. „Manche Leute halten mich in der Branche für einen Paradiesvogel“ sagte er. Aber das ist mir egal: Ich will jeden Tag dazulernen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort