Kräuter-Joints: Gefährlich, aber legal

Luxemburg/Lüneburg (dpa) - Sie wirken wie Cannabis, sind aber legal. Der Markt mit berauschenden Kräutermischungen boomt. Und bisher können Polizei und Gerichte wenig gegen die „Legal Highs“ ausrichten.

Kräuter-Joints: Gefährlich, aber legal
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Experten haben aber eine Idee.

Welcome Vegas, Boom, Rocket - Namen, die fetzen. In bunten Tütchen mit spaßigen Motiven ist der Inhalt verpackt. Genuss ohne Reue - zumindest ohne juristische Konsequenzen - das versprechen die Kräutermischungen, die man in Hanf-Shops oder im Internet kaufen kann. Deklariert sind sie als Raumduft oder Badesalz. In Wirklichkeit erfüllen sie aber einen anderen Zweck: Die Kunden rauchen die berauschenden Mischungen als Cannabis-Ersatz. „Legal Highs“ werden sie auch genannt, denn ihr Verkauf ist nicht strafbar. Harmlos ist der „legale Rausch“ jedoch nicht.

Die Kräutermischungen enthalten künstliche Cannabinoide, die die Wirkung von Cannabis nachahmen. Diese kann aber von Tüte zu Tüte schwanken und deutlich stärker als der klassische Joint sein. „Für die Konsumenten ergeben sich unkalkulierbare Risiken, da die genaue Zusammensetzung der Produkte meist nicht bekannt ist“, warnt der Drogenexperte Christian Vidal vom Landeskriminalamt in Hannover. Ohnmacht, Kreislaufversagen, Wahnvorstellungen, Vergiftungen und im schlimmsten Fall sogar tödlich können die Folgen sein.

Eine Handhabe gegen die Kräutermischungen haben Polizei und Gericht jedoch nur begrenzt. Denn viele dieser Modedrogen fallen (noch) nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Und mit dem Arzneimittelrecht ist ihnen ebenfalls nicht beizukommen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag (10. Juli) in Luxemburg entschied. Anlass war unter anderem der Fall eines Händlers, den das Landgericht Lüneburg vor zwei Jahren wegen des unerlaubten „Inverkehrbringens von Arzneimitteln“ verurteilt hatte.

Der heute 44-Jährige hatte in seinem Laden „Alles rund um Hanf“ verschiedene Kräutermischungen als Raum-Erfrischer verkauft. Je nach Sorte zahlten die Kunden etwa 10 bis 35 Euro für die Tütchen, die bis zu drei Gramm enthielten. Nach Ansicht der Lüneburger Richter verstieß er damit gegen das Arzneimittelgesetz. Ihr Argument: Die Stoffe hätten eine pharmakologische Wirkung, weil sie die Funktionen des Körpers beeinflussten. Deshalb würden sie als Arzneimittel gelten. Diese Auffassung teilt der EuGH jedoch nicht. Der Bundesgerichtshof muss jetzt entscheiden, ob das Urteil aufgehoben wird.

Dass der Gesetzgeber das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) nachbessern muss, fordern Fachleute wie der Bremer Rechtsanwalt Helmut Pollähne schon lange. Die Hersteller von „Legal Highs“ nutzen bewusst eine Lücke. Dabei geht es ähnlich zu wie beim Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel. Verboten sind immer nur die Stoffe, die das Gesetz explizit erwähnt. „Findige Labors umgehen das, indem sie die Cannabinoide geringfügig verändern“, erläutert Pollähne, der Privatdozent für Kriminalpolitik an der Uni Bremen ist.

Der Wirkstoff der Modedroge Spice wurde zum Beispiel 2010 verboten. Daraufhin entstand das leicht modifizierte Lava Red, dessen Wirkstoff inzwischen auch unters BtMG fällt. Doch auch dafür sind längst Nachfolger auf dem Markt. „Die Stoff- und Produktvielfalt der „Legal Highs“ ist inzwischen beinahe unüberschaubar geworden“, sagt LKA-Mann Vidal. Sein Vorschlag: Das BtMG sollte künftig nicht mehr um einzelne Stoffe, sondern gleich um ganze Gruppen ergänzt werden. In Österreich und der Schweiz ist das bereits Praxis.

Den Drogenherstellern würde das auf jeden Fall die Arbeit erschweren. „Dann reicht es nicht mehr, an einem Molekül rumzuschrauben“, sagt Pollähne. „Die Labore müssten sich was Neues ausdenken.“

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