Gesundheitsreport: Psychische Erkrankungen weiter auf dem Vormarsch

Studie zeigt eine Verschiebung der Ursachen für ärztliche Atteste. Arbeitsdruck steigt.

Düsseldorf. Eine denkwürdige Entwicklung offenbart der neue Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK Gesundheit. Seelische Erkrankungen haben 2012 die Atemwegserkrankungen bei den Ursachen für Krankheitstage von Arbeitnehmern überrundet. Sie landen nun auf einem unrühmlichen zweiten Platz. Davor rangieren nur noch die Erkrankungen am Muskel-Skelett-System, vor allem also die Rückenerkrankungen.

„Der Anteil der psychischen Leiden an den Fehltagen in Firmen steigt seit 15 Jahren beispiellos und weit stärker an als der Krankenstand insgesamt“, sagt Hans-Werner Veen, Landeschef der DAK, die die Daten anhand der 475 000 erwerbstätigen Versicherten der Kasse in NRW ausgewertet hat. Dass dies nicht nur ein Problem der Betroffenen und der Krankenkassen als Kostenträger ist, sondern in besonderer Weise auch die Arbeitgeber trifft — auch darauf weist Veen hin: „Der Produktionsausfall infolge der psychischen Diagnosen wird in Deutschland mittlerweile auf mehr als 25 Milliarden Euro beziffert.“

Bei den psychischen Erkrankungen rangiert der vielbeschriebene „Burnout“ nicht einmal weit vorne. Viel häufiger sind Depressionen oder Reaktionen auf schwere Belastungen die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit. Ein Grund für den so hohen Rang der psychischen Erkrankungen in der Liste der krankheitsbedingten Fehltage ist außerdem, dass die durchscnittliche Erkrankungsdauer dieser Patienten mit 45,7 Tagen relativ hoch ist.

Doch auch wer zur Arbeit kommt, dem geht es nicht automatisch blendend. Fast die Hälfte der im Auftrag der DAK befragten Beschäftigten bestätigten diese ihnen vorgelegte Aussage: „Wenn ich an einer psychischen Erkrankung leiden würde, würde ich es möglichst niemandem sagen.“ Was zeigt, wie stigmatisiert die seelischen Erkrankungen immer noch sind.

Doch wie erklärt sich der Anstieg der Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen? Das könne nach Einschätzung der Experten daran liegen, dass Mediziner eher geneigt sind, etwa bei einer Rückenerkrankung auch die in Wahrheit dahinter stehende psychische Erkrankung zu diagnostizieren.

Die in die Studie der Krankenkasse einbezogenen Ärzte sehen in Arbeitsverdichtung, Konkurrenzdruck und langen Arbeitszeiten wesentliche Ursachen. Ebenfalls eine Rolle spielt das Gefühl der Arbeitnehmer, auch nach Feierabend für den Chef erreichbar zu sein. Sei es, dass sie mit einem Anruf rechnen müssen, oder von ihnen erwartet wird, dass sie auch am Wochenende ihren E-Mail-Eingang kontrollieren. „Schon ein mittleres Maß an Erreichbarkeit nach Feierabend ist mit einem erhöhten Risiko verbunden, an einer psychischen Störung zu erkranken“, sagen die Macher der Studie.

Die Lehren müssten vor allem die Arbeitgeber ziehen — etwa indem sie, auch in Zusammenarbeit mit Krankenkassen, Präventionsschulungen anbieten. Vorbeugen statt heilen.

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