Gewalterfahrungen erschweren Schwangerschaft

Berlin (dpa) - Nicht erst die jüngsten Babytötungen in Berlin deuten es an: Schwangerschaft kann unter bestimmten Umständen in eine existenzielle Krise führen. Hat die Mutter sexuelle Gewalt erfahren, so ist das Risiko dafür sogar besonders hoch.

Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren mussten, haben ein deutlich höheres Risiko für Komplikationen vor, während und nach der Geburt. Nicht nur Fehlgeburten, Frühgeburten oder Notfallsituationen während der Entbindung seien häufiger, sondern auch psychische Probleme wie etwa Wochenbettdepressionen, berichteten Ärzte beim Deutschen Kongress für Perinatale Medizin in Berlin. Diverse Studien zeigten diese Zusammenhänge auf.

„Doch obwohl diese Fakten seit langem belegt sind, wird dies bei der Schwangerenbetreuung nur selten berücksichtigt“, kritisierte die Gynäkologin Maren Goeckenjan von der Frauenuniversitätsklinik Heidelberg. Ärzte sollten hierfür ihren Patientinnen spezielle Gesprächsangebote machen - „in einem klaren Rahmen und einem geschützten Raum“. Auch für eine bessere Vernetzung von Hilfsinstitutionen - vom Frauenhaus über Psychiatrie bis zur Polizei - sprach Goeckenjan sich aus.

Der bedrückende Hintergrund: In einer repräsentativen Befragung gaben 13 Prozent aller Frauen an, bereits sexuelle Gewalt erlebt zu haben, ein Viertel berichtete allgemein über häusliche Gewalt. Gleichzeitig wiederum kann auch die Schwangerschaft selbst zu mehr Gewalt führen: Stress, veränderte Paardynamik oder Geldprobleme erhöhen einer anderen Studie zufolge hierfür das Risiko.

Umso dringender sei es, von Arztseite aus genau hinzuschauen, betonte Goeckenjan. „Es kommt auf das Verständnis und die Interpretation von besonderen Verhaltensweisen an, wie plötzliche Verhaltensänderungen, Probleme im Arzt-Patienten-Verhältnis oder Panik angesichts medizinischer Maßnahmen“, sagte sie.

Dieses Verständnis könnten Ärzte in speziellen Workshops trainieren. Außerdem sollte erlebte Gewalt und aktuelle Bedrohung im Mutterschaftspass der Schwangeren als „besondere soziale und/oder psychische Belastung“ dokumentiert werden. Auf diese Weise könnten alle Beteiligten das vorhandene Risiko berücksichtigen. Neben einer engen Kooperation mit Hebammen und Sozialarbeitern sei gegebenenfalls auch die Vernetzung mit Psychotherapeuten zur langfristigen Unterstützung der Frauen sinnvoll.

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