Heilungsmethode mit Grenzen: Hypnose bei Angst und Stress

Bremen (dpa) - Burnout, Flugangst, Abnehmen oder Schlafstörungen - Hypnose soll bei vielem helfen. Doch ob sie tatsächlich wirkt, dafür gibt es keine Garantie. Denn nicht jeder Patient ist hypnotisierbar.

Und ohne ordentliche Betreuung kann Hypnose sogar schaden.

Martin Meissner trieb die Verzweiflung zur Hypnose. Tagelang quälten ihn höllische Kopfschmerzen, kein Arzt konnte ihm helfen. „Das waren die schlimmsten Schmerzen, die ich je hatte“, erzählt der 50-Jährige. „Es war kaum auszuhalten.“ Bekannte gaben ihm schließlich den Tipp mit der Hypnose. Obwohl der Buchhalter skeptisch war, machte er einen Termin. Nach zwei Sitzungen war das Hämmern im Kopf verschwunden - und ist bis heute nicht zurückgekehrt.

In der Praxis von Kerstin Gundermann läuft im Hintergrund leise Entspannungsmusik. Sie gießt Kräutertee aus einer Thermoskanne ein und bietet dicke Wollsocken an. Seit sechs Jahren arbeitet Gundermann als Therapeutin für Hypnose in Bremen. Als Meissner sich an sie wandte, hatte er gar keine Vorstellungen von Hypnose - außer, dass das irgendwas mit einem Pendel zu tun haben muss. „Aber da war gar nichts mit einem Pendel. Es war einfach ein Gespräch und dann war ich weg.“

Bei der Hypnose versetzen Therapeuten ihre Patienten in einen tranceähnlichen Zustand. „Es werden andere, unbewusste Anteile angesprochen, die nicht über den Verstand abrufbar sind“, erläutert Helga Hüsken-Janßen, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH). Das soll die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren und dabei helfen, Ängste, Traumata sowie Süchte zu bewältigen.

Etwa 5000 Hypnotherapeuten gibt es nach Schätzungen von Hüsken-Janßen in Deutschland. Genaue Zahlen liegen nicht vor, da nicht jeder bei der DGH zertifiziert ist und mehrere Einrichtungen Ausbildungen anbieten. Wer sich hypnotisieren lässt, sollte sich deshalb vorher genau informieren, in wessen Hände er sich begibt.

„Hypnose bietet Zugang zu allem, was wir im Gedächtnis abgespeichert haben - auch zu traumatischen Erfahrungen“, sagt Hüsken-Janßen. Damit muss ein Therapeut umgehen können. „Wir erleben immer wieder Patienten, die durch Show-Hypnose geschädigt wurden.“ Sie haben sich auf einer Bühne nur zum Spaß hypnotisieren lassen und wurden dann mit den Erlebnissen alleingelassen.

Die Wirkung von Hypnose allein hält Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité, außerdem für begrenzt. „Es ist Quatsch zu denken, man bekommt mit Hypnose das Trauma von vor 20 Jahren rausgekramt und dann ist man geheilt.“ Der Patient müsse selbst an der Lösung seiner Probleme arbeiten. Hypnose könne deshalb nur ein Baustein einer Behandlung sein.

„Für mich ist es eine Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt die Bremer Therapeutin Gundermann. Ihr Wissen hat sich die Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin in mehreren Fortbildungen angeeignet. „Man bekommt die Emotionen zur Ruhe, das seelische Gleichgewicht kann wieder hergestellt und lang erlernte Verhaltensmuster durchbrochen werden“, sagt sie. Bei ihr in Behandlung sind Manager, die Stress krank gemacht hat, Raucher, die nicht von der Zigarette lassen können, Menschen, die Angst vor Prüfungen, vor dem Fliegen oder dem Sterben haben.

250 Euro kostet eine mehrstündige Sitzung bei Kerstin Gundermann. Ihre Kunden müssen das aus der eigenen Tasche bezahlen. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen Hypnose nur in Verbindung mit einer Verhaltens- oder Schmerztherapie bei einem Psychotherapeuten. Auch sollten die Erwartungen nicht zu hoch sein. „Die Wirkung von Hypnose ist wissenschaftlich sehr gut belegt. Sie ist aber nicht für jeden Patienten geeignet“, sagt Thomas Loew, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training.

Einer von zehn Menschen ist seinen Angaben nach sehr empfänglich für Hypnose. „Etwa die Hälfte der Patienten spricht darauf an“, erläutert der Leiter der Psychosomatik an der Uniklinik Regensburg. Damit bleiben viele, bei denen Hypnose nicht wirkt. Die DGH-Expertin Hüsken-Janßen spricht von 10 Prozent, die überhaupt nicht hypnotisierbar seien. Ihr Kollege Loew sieht Hypnose deshalb nur als eine Alternative, die die schulmedizinischen Möglichkeiten erweitert. „Es ist keine Wundermethode.“

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