Kliniken kämpfen gegen die Keime (mit Videos)

Mehr Todesopfer durch Infektionen als im Straßenverkehr.

Berlin. Ein totes Neugeborenes am Wochenende in der Berliner Charité, drei tote Frühchen im vergangenen Jahr in Bremen — jedes Mal waren Keime die Ursache, mit denen sich die Kinder erst im Krankenhaus infiziert haben. In Berlin wird jetzt wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt ermittelt. Zugleich ist zumindest ein weiteres infiziertes Frühchen außer Lebensgefahr.

Aber nicht nur Babys sind gefährdet. Auch alte Menschen, frisch Operierte oder Schwerkranke laufen Gefahr, sich mit Erregern zu infizieren. „Es gilt: Je kränker, desto gefährdeter“, erklärt Professor Frauke Mattner von der Ständigen Arbeitsgemeinschaft Krankenhaushygiene in der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie.

Rund 500 000 Menschen erleiden laut Robert Koch-Institut jährlich eine Infektion im Krankenhaus. Wie viele daran sterben, schätzen Fachleute unterschiedlich ein: Die Angaben schwanken zwischen 15 000 bis 40 000 Todesfällen pro Jahr. „Das sind mehr Menschen als im Straßenverkehr sterben“, sagte der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Professor Walter Popp.

Hauptproblem: Gegen manche dieser „Krankenhauskeime“ gibt es keine Therapie, die Erreger sind immun gegen alle verfügbaren Antibiotika. Solche Keime führten 2011 bei den Frühchen in Bremen zum Tod. „In den nächsten Jahren sind keine neuen Antibiotika zu erwarten“, warnt Popp. „Bis dahin sind wir zurückgeworfen auf die Hygiene.“

Das Thema ist der Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen Keime in der Klinik. Erst im vergangenen Jahr hat der Bund das Infektionsschutzgesetz verschärft. „Das Gesetz schafft die Voraussetzungen, um die Hygienequalität in Krankenhäusern und bei medizinischen Behandlungen zu verbessern“, heißt es im Bundesgesundheitsministerium. Alle Länder mussten bis März 2012 entsprechende Verordnungen erlassen. Ob das etwas nützt, bleibt abzuwarten. Denn Hygiene-Standards stehen nur auf dem Papier, so lange nicht zwei andere Punkte erfüllt sind: Es gibt genug Personal, und es ist gut ausgebildet.

„Die Hygiene hat gelitten durch Stellenabbau und Outsourcing“, sagte der Essener Hygieniker Popp, und zwar auf allen Ebenen: Im Medizin-Studium werde das Thema kaum behandelt, Pflegefachkräfte mit Zusatzausbildung würden entlassen und durch Hilfskräfte ersetzt. Statt klinikeigener Reinigungskräfte putzten oft wechselnde Billigkräfte.

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