Lästiges Ohrensausen: So wird ein Tinnitus behandelt

Traunstein (dpa/tmn) - Wenn lästige Ohrgeräusche nicht nach kurzer Zeit von selbst wieder verschwinden, helfen oft Medikamente. Diese haben aber nicht immer Erfolg - nach drei Monaten gilt ein Tinnitus als chronisch.

Wird er zur Qual, ist eine Verhaltens- oder Musiktherapie sinnvoll.

Sie sind rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr geöffnet: unsere Ohren. Ruhe haben sie nur selten, irgendein Geräusch nehmen sie fast immer auf. „Wir empfinden Stille mittlerweile fast als unnormal. Unsere Zeit ist hektisch“, sagt der Hals-Nasen-Ohrenarzt Eberhard Biesinger aus Traunstein. Er hat sich auf die Behandlung von Ohrgeräuschen spezialisiert und ist der Ansicht, dass die permanente Geräuschkulisse eine Hauptursache unter anderem für Tinnitus - also lästiges Ohrensausen - sein könnte.

„Tinnitus ist wie Schmerz ein Symptom. Viele Ursachen kennt man noch nicht“, erzählt sein Kollege Prof. Gerhard Goebel vom Vorstand der Deutschen Tinnitus-Liga in Wuppertal. Dass es plötzlich im Ohr pfeift, klingelt oder rauscht, passiert in Deutschland jährlich etwa zehn Millionen Menschen. Bei den allermeisten verschwindet das unangenehme Geräusch im Ohr nach spätestens 20 Minuten. „Die Chance auf eine Spontanheilung sind hoch“, sagt Goebel. Wer das Phantomgeräusch aber am nächsten Tag noch hört, sollte zu einem HNO-Arzt gehen, der unter anderem einen Hörtest macht und Medikamente verschreibt. Nach drei Monaten gilt ein Tinnitus als chronisch, eine Behandlung mit Medikamenten nützt dann nichts mehr.

Etwa ein Drittel aller Ohrgeräusche entstehen durch ein lautes Geräusch, zum Beispiel die Musik in einer Diskothek oder einen Knall bei einer Explosion. Dadurch wird das Innenohr geschädigt. Der Arzt behandelt dies zum Beispiel mit Kortison oder einer Infusion. Eine Erkrankung des Innenohrs, die ebenfalls zu Tinnitus führt, heißt Morbus Menière. „Sie beginnt mit einem Druckgefühl im Ohr“, erklärt Biesinger. Es folgt ein Tinnitus in Form eines Brummens. Dem Betroffenen wird schwindelig, oft muss er sich erbrechen. Auch bei der Ursache dieser Krankheit tappen die Mediziner noch im Dunklen.

Sicher ist jedoch, dass auch die oft im Alter auftretende Schwerhörigkeit ebenfalls zu Tinnitus führen kann. „40 Prozent der Schwerhörigen haben auch einen Tinnitus“, erläutert Goebel, Chefarzt der Schön Klinik in Prien am Chiemsee. Dort werden unter anderem Menschen mit einem chronischen Tinnitus behandelt.

Wer einen Tinnitus hat, muss aber nicht unbedingt unter ihm leiden. So stören sich die meisten Betroffenen nicht an ihrem Ohrgeräusch. Denn oft hören sie es ohnehin nur, wenn es ansonsten ganz still ist. Und auch wenn sie es neben ihren Umgebungsgeräuschen hören, ist es ihnen egal. Mehr als drei Millionen Deutsche berichten von chronischen Ohrgeräuschen, etwa jeder Dritte von ihnen leidet darunter.

In diesem Fall wird von den Ärzten „nicht mehr das Ohr, sondern das Gehirn behandelt“, wie es Goebel formuliert. Mit einer Verhaltenstherapie lasse sich die Wahrnehmung des Patienten vom quälenden Ohrgeräusch weglenken sowie oft parallel auftretende Depressionen und Angststörungen behandeln. Denn die eigentliche Ursache eines Tinnitus sei zwar immer organisch. Doch wenn er als quälend empfunden wird, habe dies eine seelische Ursache. „Es gibt Menschen, die haben 20 Jahre lang ein Ohrgeräusch, ohne dass es sie stört. Dann erleben sie eine seelische Belastung und plötzlich quält sie das Geräusch.“

Eine Möglichkeit, um den Patienten von dem störenden Geräusch zu befreien, ist eine Musiktherapie. Dabei lernt das Gehirn, die störenden Geräusche auszublenden. Bei einer Studie des Deutschen Zentrums für Musiktherapie in Heidelberg kam heraus, dass der Tinnitus bei musiktherapeutisch behandelten Patienten nach einem Jahr deutlich leiser geworden war und als weniger lästig empfunden wurde.

Hirnforscher der Universität Münster vergleichen einen Tinnitus mit dem Phantomschmerz nach der Amputation einer Gliedmaße. „Der Tinnituspatient nimmt einen Phantomklang wahr“, erklärt Prof. Christo Pantev, Direktor des Instituts für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Universität Münster. Ursache ist eine Überaktivität des Gehirns - mit einer neu entwickelten Musiktherapie sollen die Nervenzellen beruhigt werden.

Dazu sucht sich der Patient mehrere Stücke mit seiner Lieblingsmusik aus. „Am Computer filtern wir dann genau die Frequenz aus der Musik heraus, die der jeweiligen Tinnitus-Frequenz des Patienten entspricht“, erklärt Pantev. Dieser Musik, die sich unverändert anhört, lauschen die Patienten täglich zwischen ein bis zwei Stunden.

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